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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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noch, wie Fred und Stanley die Gasse hinunterrannten. Ihre Karren hüpften und polterten hinter ihnen her.
    Blinder Zorn vertrieb seine Benommenheit und siegte über jegliche Vorsicht. Nathanael rappelte sich hoch und nahm mit unsicheren Schritten die Verfolgung der beiden Jungen auf.
    Er kam nur langsam voran. In der Gasse war es finster, und die Häuserwände zu beiden Seiten glichen grauen Vorhängen, die sich kaum von dem schwarzen Schlund vor ihm abhoben. Nathanael tastete sich eilig Schritt für Schritt voran, immer eine Hand an der Mauer, und horchte auf das verräterische Quietschen und Schurren der beiden Handkarren. Offenbar waren auch Fred und Stanley gezwungen, langsamer zu laufen – die Geräusche vor ihm verstummten nie ganz und an jeder Kreuzung konnte er die Spur der beiden wieder aufnehmen.
    Wieder einmal brachte ihn seine Hilflosigkeit schier zur Weißglut. Dieser verfluchte Dschinn! Nie war er da, wenn man ihn brauchte! Falls er die Diebe jemals einholte, würde er ihnen dermaßen… Wohin jetzt? Er blieb vor einem hohen, vergitterten, verdreckten Fenster stehen. Ganz schwach vernahm er das Holpern von Karrenrädern auf Kopfsteinpflaster. Es kam von links. Er lief weiter.
    Kurz darauf fiel ihm auf, dass sich die Geräusche vor ihm verändert hatten. Statt polternder Räder hörte er jetzt gedämpfte Stimmen. Er ging langsamer, hielt sich dicht an der Hauswand und setzte die Füße vorsichtig auf, damit er nicht versehentlich in eine Pfütze patschte.
    Die Gasse mündete in eine schmale, gepflasterte Straße, die von kleinen, baufälligen und zugenagelten Werkstätten gesäumt war. In den Hauseingängen hingen dichte Schatten wie Spinnweben und in der Luft lag ein schwacher Geruch nach Sägemehl.
    Nathanael sah die beiden Handkarren mitten auf der Straße stehen. Stanley hatte die Stange mit der Laterne abgenommen, ihr schwacher Schein erhellte jetzt einen überdachten Hauseingang. In dem trüben Lichtkreis standen drei Gestalten und unterhielten sich leise: Fred, Stanley und noch jemand: eine zierliche, schwarz gekleidete Gestalt. Das Gesicht konnte Nathanael nicht erkennen.
    Er hielt die Luft an und lauschte angestrengt, aber er war zu weit weg, um etwas zu verstehen. Er konnte sich jetzt zwar nicht auf eine Rauferei einlassen, doch vielleicht erfuhr er ja etwas Brauchbares, das ihm weiterhalf. Das war das Risiko allemal wert. Er schlich näher heran.
    Doch auch das half nicht viel. Er bekam lediglich mit, dass Fred und Stanley die meiste Zeit schwiegen und der andere das große Wort führte. Er hatte eine hohe, kindliche, durchdringende Stimme.
    Noch ein bisschen näher…
    Beim nächsten Schritt stieß Nathanael gegen eine leere Weinflasche, die jemand an der Mauer abgestellt hatte. Sie kippelte, stieß mit leisem Klirren gegen die Ziegel, fiel aber nicht um. Doch das Klirren genügte. Das Licht flackerte und die drei wandten sich nach ihm um: Stanley, Fred und…
    In dem Sekundenbruchteil, der Nathanael blieb, erhaschte er nur einen flüchtigen Blick, doch was er sah, würde er nie vergessen. Ein Mädchengesicht, blass und jung, von fliegendem, glattem, schwarzem Haar umrahmt. Ihre weit offenen Augen blickten überrascht, aber nicht ängstlich, sondern eher wütend. Er hörte sie einen Befehl rufen, sah Fred vorstürmen und etwas Helles, Glänzendes auf sich zusausen. Nathanael duckte sich hastig und knallte mit dem Kopf an die Ziegelmauer. Er schmeckte bittere Galle im Mund und vor seinen Augen tanzten Lichter. Dann brach er in der Pfütze zu seinen Füßen zusammen.
    Weder richtig bewusstlos noch richtig bei Sinnen lag er mit geschlossenen Augen und schlaffen Gliedern regungslos da und war sich nur undeutlich bewusst, was um ihn herum vorging. Schritte trappelten, Metall scharrte, Leder knirschte. Jemand beugte sich über ihn und etwas Weiches streifte sein Gesicht.
    »Du hast ihn nicht getroffen. Er ist weg, aber er lebt noch.« Eine Mädchenstimme.
    »Wenn du willst, schneid ich ihm die Gurgel durch, Kitty.« Das war Fred.
    Wie lange die Pause dauerte, die auf diesen Vorschlag folgte, hätte Nathanael nicht sagen können. »Nein… Das ist bloß irgend so ein dummer Bengel. Gehn wir.«
    Stille senkte sich über die dunkle Gasse. Auch als sich sein Kopf längst nicht mehr drehte und er bis auf die Haut durchnässt war, blieb Nathanael noch liegen und wagte nicht, sich zu rühren.

Bartimäus
34
    Ich war schon seit fast fünf Stunden wieder zurück, als ich das lose Brett leise scharren

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