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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Dschinn. Manche Dschinn wären gern Afriten oder sogar Mariden. Das ist in jedem Fall aussichtslos, denn es ist absolut unmöglich, die Grenzen der eigenen Substanz zu überschreiten, was viele Wesenheiten jedoch keineswegs davon abhält, in Gestalt eines mächtigeren Geschöpfes herumzulaufen. Wenn man allerdings von Natur aus in jeder Hinsicht vollkommen ist, entstehen solche Wünsche gar nicht erst. )
    Wir fuhren eine Weile auf die Bäume zu und schauten beide stur geradeaus. Die Wächter hielten auf beiden Seiten mit dem Lieferwagen Schritt.
    Nach einer Weile meldete sich der Junge wieder zu Wort. »Was soll ich mit der Hose machen?«
    »Nichts. Du musst eben ohne klarkommen. Wir sind gleich am Tor. Deine obere Hälfte sieht gut genug aus.«
    »Aber…«
    »Streich die Jacke glatt, damit du nicht so zerknittert aussiehst. Das muss reichen. Also: Ich bin Squalls und du bist mein Sohn. Wir liefern das Büffet für die Konferenz. Dabei fällt mir ein, wir sollten lieber mal nachsehen, was wir da eigentlich durch die Gegend kutschieren. Übernimmst du das?«
    »Aber…«
    »Keine Bange, du kannst ruhig mal eben nach hinten schauen.« Ich zeigte auf die Luke, die sich zwischen uns in der Rückwand des Fahrerhauses befand. »Guck mal schnell rein. Ich würde auch selber nachsehen, aber ich muss ja fahren.«
    »Na schön.« Er kniete sich auf seinen Sitz, öffnete die Luke und steckte den Kopf hindurch.
    »Es ist ziemlich dunkel… hier ist haufenweise Zeugs drin…«
    »Kannst du irgendwas erkennen?« Ich drehte mich kurz um und hätte beinahe die Kontrolle über den Wagen verloren. Die Kiste schoss auf die Hecke zu, ich bekam sie gerade noch rechtzeitig wieder in den Griff.
    »Deine Hose! Setz dich sofort wieder hin! Wo ist deine Hose?«
    Er ließ sich wieder auf den Sitz fallen. Die Aussicht nach links verbesserte sich merklich. »Meine hab ich ausgezogen – und du hast gesagt, ich brauch die andere nicht anzuziehen.«
    »Mir war nicht klar, dass du schon unten ohne warst! Zieh deine wieder an.«
    »Aber dann sieht der Wächter doch…«
    »Der Wächter hat es sowieso längst gesehen. Zieh sie einfach an.«
    Wieder vollführte er wilde Verrenkungen und stemmte dabei die Schuhsohlen auf das Armaturenbrett. Ich schüttelte das kahle Haupt. »Wir können bloß hoffen, dass sich Ghule mit menschlichen Anstandsregeln nicht besonders auskennen. Vielleicht halten sie es für normal, dass man sich erst im Auto umzieht. Aber du kannst Gift drauf nehmen, dass die Torhüter nicht so beschränkt sind.«
    Inzwischen hatten wir die Grenze des Anwesens fast erreicht. Bäume versperrten den Blick durch die Windschutzscheibe, und die Straße wand sich in sanften Kurven zwischen ihnen hindurch, bis unvermittelt der große Torbogen in Sicht kam. Er bestand aus wuchtigen gelben Sandsteinblöcken und ragte imposant über dem Gebüsch am Straßenrand auf wie hunderttausend andere Torbögen auf der Welt. 97
(Ausnahmslos erbaut, um dem Sieg einer unbedeutenden Sippschaft über eine andere ein Denkmal zu setzen. Von Rom bis Peking, von Timbuktu bis London, in allen großen Städten schießen Triumphbögen aus dem Boden und sind sämtlich schwer von Erde und Tod. Also ich fand bis jetzt noch alle scheußlich. )
Welcher kleine Adlige sich diesen hier hatte errichten lassen und weshalb, wusste wahrscheinlich niemand mehr. Die Gesichter der Karyatiden, die das Dach trugen, waren verwittert, die gemeißelten Inschriften ebenfalls. Früher oder später würde der Efeu, der sich überall fest klammerte, mit seinen Wurzeln auch das Mauerwerk sprengen.
    Über dem Torbogen und bis in den Wald hinein wölbte sich die hohe rote Kuppel. Es gab nur einen einzigen Eingang nach Heddleham Hall und das war dieses Tor.
    Unsere Eskorte schaute erwartungsvoll nach vorn.
    Kurz vor dem Torbogen brachte ich den Wagen zum Stehen, ließ den Motor aber laufen. Er tuckerte leise vor sich hin. Wir blieben sitzen und warteten.
    Neben dem Tor öffnete sich eine Holztür und ein Mann trat heraus. Ich spürte, wie der Junge neben mir zusammenzuckte. Ich warf ihm einen Seitenblick zu. Er war schon immer blass gewesen, aber jetzt war er noch blasser. Seine Augen waren so groß und rund wie Essteller.
    »Was ist los?«, zischte ich.
    »Das ist er… der Mann, den ich in der Scheibe gesehen habe… der das Amulett gestohlen hat.«
    Ich konnte weder etwas sagen noch etwas tun, denn schon kam der Mörder lässig auf den Lieferwagen zugeschlendert. Ein feines Lächeln umspielte

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