Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
Schweißtropfen, der seine Schläfe herabrann, verriet ihn. »Woher hast du das alles gewusst?«, fragte ich. »Du hast doch nur ganz kurz nachgesehen.«
    Er lächelte flüchtig. »Das gehört zu meiner Ausbildung. Ich kann sehr schnell lesen und mir Dinge gut einprägen. Und? Was hältst du von ihm?«
    »Von Lovelace’ Mörderlein? Nicht uninteressant. Ein Dschinn ist er nicht und für einen Zauberer halte ich ihn auch nicht – ihm fehlt der typische Verwesungsgeruch. 98
( Das sollte keine Beleidigung sein. Na ja, eigentlich schon, aber es ist eine zutreffende Beleidigung. Ich bin zwar kein Suchkugelkobold (wie du dich vielleicht erinnerst, bestehen Suchkugelkobolde hauptsächlich aus einem großen Nasenloch), aber ich verfüge über einen hervorragenden Geruchssinn und erkenne einen Zauberer fast immer, sogar wenn er inkognito unterwegs ist. Im Lauf der langen Jahre, die ein Zauberer in verräucherten Räumen zubringt und mächtige Wesen beschwört, nimmt seine Haut einen ganz bestimmten Geruch an, dessen überwiegende Bestandteile Räucherwerk und Angstschweiß sind. Wer sich anschließend immer noch nicht ganz sicher ist, braucht dem Betreffenden bloß in die Augen zu blicken – normalerweise sieht man die Kontaktlinsen. )
Aber wie wir wissen, war er in der Lage, das Amulett zu stehlen, demnach muss er über gewisse Fähigkeiten verfügen… Und er besitzt ein unglaubliches Selbstvertrauen. Hast du gesehen, wie ihm die Ghule beim kleinsten Wink gehorcht haben?«
    Der Junge zog die Stirn kraus. »Wenn er kein Zauberer und kein Dämon ist, was kann er dann für besondere Fähigkeiten haben?«
    »Täusch dich nicht«, sagte ich düster. »Es gibt noch ganz andere Dinge zwischen Himmel und Erde.« Ich musste an das Mädchen aus der Widerstandsbewegung und seine Gefährten denken.
    Weitere Fragen blieben mir erspart, denn jetzt führte die Zufahrt aus den Bäumen heraus. Vor uns lag Heddleham Hall.
    Der Junge schnappte nach Luft.
    Auf mich hatte der Anblick nicht ganz dieselbe Wirkung. Wenn man mitgeholfen hat, einige der großartigsten Bauwerke der Welt zu errichten, und die betreffenden Architekten gelegentlich mit wertvollen Tipps versorgt hat, 99
(Was nicht heißt, dass meine Ratschläge immer befolgt wurden. Man denke nur an den Schiefen Turm von Pisa. )
macht man sich bei einem zweitklassigen viktorianischen Herrenhaus im neugotischen Stil nicht gleich ins Hemd. Man kennt das ja: haufenweise Türmchen und ähnlicher Schnickschnack. 100
(Nicht anschaulich genug? Ich wollte ja bloß mit der Geschichte vorankommen. Also: Heddleham Hall war ein großer, rechteckiger, doppelstöckiger Kasten mit stummelkurzen Seitenflügeln, Unmassen hoher Bogenfenster, ebenfalls hohen, geschwungenen Ziergiebeln, einem wahren Wald von Schornsteinen, kunstvollem Maßwerk mit barocken Anklängen, Pseudozinnen über dem Haupteingang, hohen Kuppeldecken (mit unzähligen Rippen), allerlei Wasserspeiern (dito), und das alles aus einem goldbraunen Stein erbaut, der sparsam verwendet durchaus ansprechend wirkt, aber in solchen Mengen unweigerlich an ein überdimensionales Karamellbonbon erinnert.)
Das Gebäude war von einer weitläufigen Rasenfläche umgeben, auf der Pfauen und kleine Kängurus dekorativ verstreut waren. 101
( So dekorativ, dass ich mich fragte, ob man sie festgeklebt hatte. )
Man hatte mehrere gestreifte Partyzelte aufgebaut, und etliche Bedienstete waren damit beschäftigt, von der Terrasse her Tabletts mit Flaschen und Weingläsern anzuschleppen. Vor dem Haus stand eine riesige, uralte Eibe, unter deren ausladenden Ästen sich der Zufahrtsweg gabelte. Links herum gelangte man in elegantem Bogen zum Haupteingang, die rechte Abzweigung schlängelte sich unauffällig zur Hintertür. Wie befohlen fuhren wir zum Lieferanteneingang.
    Mein Herr gaffte immer noch aus dem Fenster und konnte sich nicht satt sehen.
    »Lass die albernen Tagträume«, sagte ich. »Wenn du später auch so wohnen willst, musst du erst mal den heutigen Tag lebend überstehen. Also, drin wären wir. Nun zu unserem Plan. Was hast du dir denn vorgestellt?«
    Der Junge schaltete sofort. »Nach dem, was uns Lovelace erzählt hat, müssen wir davon ausgehen, dass er einen Anschlag auf die Minister vorhat. Was genau, wissen wir nicht. Das Ganze wird voraussichtlich stattfinden, sobald sich die Gäste sorglos vergnügen und alle Vorsicht vergessen. Das Amulett spielt dabei eine wichtige Rolle.«
    »So weit kann ich dir folgen.« Ich trommelte ungeduldig

Weitere Kostenlose Bücher