Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand
befehlen (mit gegnerischen Zauberern ist das etwas anderes). Wir hingegen lernten, Interessenkonflikte zu vermeiden. Nicht zuletzt deshalb sind Verbindungen zwischen uns Geistern nur vorübergehend und ständigem Wechsel unterworfen. Freundschaften werden hauptsächlich aus strategischen Erwägungen geschlossen. )
und musste das blöde Ding behalten.
Ich bog in eine abgelegene, düstere Seitenstraße ein. Die hohen Gebäude rechts und links bedrängten und bedrückten mich. Städte machen mich ganz krank, dort fühle ich mich fast so scheußlich wie unter der Erde. London ist besonders grässlich – kalt, grau, miefig und verregnet. Hier bekomme ich jedes Mal Sehnsucht nach dem Süden, nach Wüstensand und strahlend blauem Himmel.
Linker Hand ging wieder eine schmale Straße ab. Der Bürgersteig war mit nassen Pappkartons und Zeitungen übersät. Automatisch prüfte ich alle Ebenen durch, konnte aber nichts Verdächtiges feststellen. Also gut. Die ersten beiden Hauseingänge verwarf ich aus hygienischen Gründen. Der dritte war trocken. Dort hockte ich mich hin.
Höchste Zeit, mir den bisherigen Verlauf des Abends noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Er war recht turbulent gewesen: erst der blasse Junge, dann Simon Lovelace, das Amulett, Jabor, Faquarl… Alles in allem eine ziemlich teuflische Mischung. Andererseits – na und? Bei Tagesanbruch würde ich das Amulett abliefern und dann konnten sie mich alle mal gern haben.
Mit Ausnahme des Jungen. Mit dem hatte ich noch ein ziemlich großes Hühnchen zu rupfen. Man ließ Bartimäus von Uruk nicht ungestraft wie einen Penner in einer dreckigen Gasse im West End nächtigen. Zuerst musste ich seinen Namen herausfinden und dann…
Moment mal…
Schritte näherten sich… Schwere Schuhe, und zwar mehrere Paar.
Vielleicht Zufall. Schließlich ist London eine Großstadt. In den Straßen wimmelt es von Menschen. Die da draußen nahmen wahrscheinlich nur eine Abkürzung nach Hause.
Ausgerechnet durch die Gasse, in der ich mich versteckte.
Ich glaube nicht an Zufälle.
Ich drückte mich in den schmalen Schattenstreifen unter dem Türsturz und umgab mich mit einem Tarnzauber. Ein dichtes Gespinst schwarzer Fäden legte sich um mich und verschmolz mich mit der Dunkelheit. Ich wartete.
Die Schritte kamen näher. Wer mochte das sein? Eine Streife der Nachtpolizei? Hatte Simon Lovelace einen Trupp Zauberer ausgesandt? Vielleicht hatten mich die Suchkugeln am Ende doch noch aufgespürt.
Es war weder das eine noch das andere. Es waren die Kinder vom Trafalgar Square.
Fünf Jungs und vorneweg das Mädchen. Sie kamen lässig angeschlendert und sahen sich dabei unauffällig um. Meine Anspannung ließ nach. Ich war gut getarnt, und selbst wenn nicht, hatte ich nichts zu befürchten – jetzt, da wir uns nicht mehr in aller Öffentlichkeit befanden. Zugegeben, die Jungen waren groß und machten einen ziemlich rüpelhaften Eindruck, aber trotz allem waren es nur Jungs in Jeans und Lederjacken. Auch das Mädchen trug eine schwarze Lederjacke und unter dem Knie flatterte ihr die Hose abenteuerlich um die Waden. Aus dem überschüssigen Stoff hätte man gut und gern eine zweite Hose für einen Zwerg schneidern können. Die sechs trotteten durch den Müll die Gasse entlang. Plötzlich fiel mir auf, dass sie merkwürdig schweigsam waren.
Vorsichtshalber überprüfte ich die anderen Ebenen ein zweites Mal. Auf jeder war alles, wie es sein sollte. Sechs Kinder.
Ich wartete unter meinem Tarnnetz darauf, dass sie an mir vorbeiliefen.
Das Mädchen ging voran. Dann war es auf gleicher Höhe mit mir.
Ich gähnte unter meinem Tarnnetz.
Einer der Jungen tippte dem Mädchen auf die Schulter.
»Da ist es«, sagte er und zeigte auf mich.
»Schnappt es euch«, befahl das Mädchen.
Bevor ich mich von meiner Verwunderung erholt hatte, sprangen die drei stämmigsten Burschen in den Hauseingang und warfen sich auf mich. Als sie das Tarnnetz berührten, zerrissen die Fäden und lösten sich auf. Ein betäubender Gestank von abgeschabtem Leder, billigem Rasierwasser und Achselschweiß schlug über mir zusammen. Sie setzten sich auf mich, verpassten mir Boxhiebe und Kopfnüsse, dann rissen sie mich unsanft hoch.
Erst jetzt kam ich wieder zu mir. Schließlich war ich immer noch Bartimäus.
Das Sträßchen wurde von einer kurzen Licht-und Hitzeentladung erhellt. Die Ziegelsteine um den Hauseingang herum wurden schwarz wie Briketts.
Zu meiner Überraschung hielten mich die Jungen
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