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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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war mürrisch und unverschämt, doch nachdem Nathanael einen kleinen Zauber angewandt hatte, der in einem schwachen elektrischen Schlag resultierte, konnte er ihn dazu bringen, ihm kurze Blicke auf Dinge zu gewähren, die sich in weiter Ferne ereigneten. Der Kobold war in der Lage, Unterhaltungen wiederzugeben, die er belauscht hatte, und sie auch optisch in der Scheibe abzubilden.
    Nathanael versteckte seinen primitiven, aber wirkungsvollen Zauberspiegel unter den Ziegeln am Rand der Dachluke und erfuhr mit seiner Hilfe so manches Wissenswerte.
    Probehalber befahl er dem Kobold, ihm zu offenbaren, was sich im Arbeitszimmer seines Meisters ereignete. Nathanael beobachtete Underwood einen ganzen Vormittag und stellte fest, dass der Zauberer die meiste Zeit am Telefon verbrachte, um sich über die politische Entwicklung auf dem Laufenden zu halten. Er schien von dem Gedanken besessen, dass seine Feinde im Parlament seinen Umsturz planten. Nathanael fand das im Prinzip zwar interessant, im Detail jedoch eher langweilig, und nahm schon bald davon Abstand, seinem Meister nachzuspionieren.
    Als Nächstes beobachtete er Miss Lutyens aus der Ferne. Der Nebel auf der Scheibe waberte, verzog sich – und mit Herzklopfen sah Nathanael seine ehemalige Lehrerin wieder, so wie er sie in Erinnerung hatte: lächelnd, zeichnend… und unterrichtend. Das Bild in der Scheibe wechselte und zeigte einen kleinen, zahnlückigen Zauberlehrling, der wie besessen auf seinen Zeichenblock kritzelte und Miss Lutyens ganz offensichtlich anbetete. Nathanaels Augen brannten vor Gram und Eifersucht. Mit erstickter Stimme befahl er dem Bild zu verschwinden und knirschte mit den Zähnen, als der schadenfrohe Kobold in glucksendes Gelächter ausbrach.
    Danach wandte sich Nathanael seinem eigentlichen Vorhaben zu. Eines Abends, es war schon spät, befahl er dem Kobold, Simon Lovelace hinterherzuspionieren, musste jedoch verwirrt feststellen, dass stattdessen das Säuglingsgesicht in der polierten Scheibe erschien.
    »Was willst du?«, schrie Nathanael. »Ich habe dir einen Auftrag erteilt – gehorche!«
    Der Säugling zog die Nase kraus und sprach mit verblüffend tiefer Stimme: »Is ne ziemlich heikle Kiste. Der Typ hat’n Schutzwall errichtet. Weiß nich, ob ich da durchkomme. Könnte ordentlich Staub aufwirbeln, sag ich mal.«
    Nathanael hob drohend die Hand. »Soll das heißen, es ist unmöglich?«
    Der Säugling wand sich und streckte unschlüssig die Zungenspitze aus dem Mundwinkel, als leckte er alte Wunden. »Unmöglich würd ich nich sagen. Bloß schwierig.«
    »Worauf wartest du noch?«
    Der Säugling schnaufte und verschwand. Kurz darauf zeichnete sich ein flackerndes Bild in der Scheibe ab. Es verschwamm und hüpfte wie bei einem nicht richtig eingestellten Fernseher. Nathanael fluchte. Er wollte schon den Züchtigenden Strafstoß aussprechen, da überlegte er sich, dass der Kobold es vielleicht nicht besser hinbekam. Er beugte sich tief über die Scheibe und starrte auf die Szene, die sich seinem Blick darbot…
    Ein Mann saß am Tisch und tippte mit flinken Fingern in einen Laptop.
    Nathanael kniff die Augen zusammen. Ja, es war Simon Lovelace.
    Der Kobold sah von der Decke auf ihn herunter, und Nathanael konnte den ganzen Raum überblicken, auch wenn seine Sicht wie durch ein Fischaugenobjektiv verzerrt war. Das Zimmer lag im Dunkeln und Lovelace’ Schreibtischlampe war die einzige Lichtquelle. Im Hintergrund waren dunkle, bis zum Boden reichende Vorhänge zu erkennen.
    Der Zauberer tippte. Er trug einen Smoking und hatte seine Fliege gelockert. Ab und zu kratzte er sich an der Nase.
    Plötzlich schob sich das Gesicht des Säuglings dazwischen. »Mir reicht’s jetzt«, schniefte er, »is doch öde. Und wie gesagt, wenn ich hier noch länger rumhänge, gibt’s vielleicht Ärger.«
    »Du bleibst so lange, bis ich dich entlasse«, knurrte Nathanael. Er sprach eine Silbe und der Säugling kniff vor Schmerz die Augen zusammen.
    »Okay, okay! Wie kannst du bloß so gemein zu einem wehrlosen Kind sein, du Fiesling!« Das pausbäckige Gesicht verschwand und das Zimmer erschien wieder. Lovelace saß immer noch da und tippte. Nathanael hätte zu gern einen Blick auf die Papiere auf dem Schreibtisch geworfen, doch Zauberer umgaben sich oft mit Sensoren, die fremde Magie in ihrem Umfeld aufspürten. Es war nicht ratsam, sich zu dicht heranzuwagen. Nathanael begnügte sich mit seinem Blickwinkel und…
    Er fuhr zusammen.
    Simon Lovelace war nicht

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