Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
Aufjaulen begleitet. Der letzte Stechling flog mit großer Geschwindigkeit auf den Alten zu. Der schien sich nicht zu rühren, doch dicht vor seinem Gesicht bremste der Stechling plötzlich, überschlug sich und machte unvermittelt kehrt. Dann trudelte er hilflos zu Boden und landete vor Simon Lovelace, der ihn mit dem Absatz zerquetschte.
    Arthur Underwood hatte das Geschehen entsetzt verfolgt. Jetzt gab er sich einen Ruck, trat über die Schwelle in den Vorgarten, wo sich sein Gast im Blumenbeet wälzte, und klatschte laut in die Hände. Die beiden kampflustigen Stechlinge fielen betäubt zu Boden.
    Diesen Moment nutzte Nathanael, um sich unauffällig zurückzuziehen.
    Er verdrückte sich ins Schulzimmer, wo Miss Lutyens am Tisch saß und in einer Zeitschrift blätterte. Als er eintrat, lächelte sie ihn an.
    »Na, wie ist es gelaufen? Von hier oben hört es sich ja wie eine richtige Party an. Jedenfalls habe ich mitbekommen, wie jemand ein Glas zerschlagen hat.«
    Nathanael schwieg. Vor seinem inneren Auge zerplatzten die drei Stechlinge an der Wand. Er fing an zu zittern, ob aus Angst oder vor Wut und Enttäuschung, wusste er selbst nicht recht.
    Miss Lutyens sprang sofort auf. »Komm her, Nathanael. Was hast du denn? Du siehst ganz krank aus! Du zitterst ja!« Sie legte den Arm um ihn und bettete seinen Kopf sanft an ihre Schulter. Nathanael schloss die Augen. Sein Gesicht brannte und ihm war abwechselnd heiß und kalt. Miss Lutyens redete immer noch auf ihn ein, aber er konnte nicht antworten…
    Da flog die Tür auf.
    Simon Lovelace stand mit blitzenden Brillengläsern auf der Schwelle und stieß einen Befehl aus. Nathanael wurde buchstäblich aus Miss Lutyens’ Armen gerissen und durch die Luft getragen. Einen Atemzug lang hing er auf halber Höhe zwischen Decke und Fußboden und hatte Gelegenheit, einen Blick auf die beiden anderen Zauberer zu erhaschen, die sich hinter ihrem Anführer drängten, und auf seinen Meister, der ganz hinten stand.
    Nathanael hörte Miss Lutyens etwas rufen, doch dann wurde er gewaltsam auf den Kopf gestellt. In seinen Ohren rauschte das Blut und übertönte alles andere.
    Kopf, Arme und Beine baumelten herab, sein Hinterteil ragte empor. Dann traf eine unsichtbare Hand oder ein unsichtbarer Stock seine Kehrseite. Er schrie auf, wand sich und trat wild um sich. Die Hand schlug wieder zu, fester als beim ersten Mal. Und noch einmal…
    Lange bevor die unermüdliche Hand ihr Werk beendet hatte, hörte Nathanael zu strampeln auf. Er hing schlaff in der Luft, spürte nur noch den stechenden Schmerz und die brennende Schmach. Dass Miss Lutyens Zeugin seiner Bestrafung wurde, war ihm unerträglich. Nathanael wünschte sich inbrünstig, tot zu sein, und er war unendlich dankbar, als es schließlich dunkel um ihn wurde und ihm die Sinne schwanden.
    Die Hände ließen ihn los, doch er war bewusstlos, ehe er auf dem Boden aufschlug.
    Nathanael bekam einen vollen Monat Stubenarrest und musste eine Reihe weiterer Strafen und Einschränkungen erdulden. Sein Meister beschloss, nicht mehr mit ihm zu sprechen, und auch alle anderen Kontakte wurden unterbunden. Eine Ausnahme bildete nur Mrs Underwood, die ihm sein Essen brachte und seinen Nachttopf leerte. Nathanael erhielt weder Unterricht, noch durfte er lesen. Er hockte den ganzen Tag in seiner Kammer und schaute über die Dächer von London zum fernen Parlamentsgebäude hinüber.
    Er wäre vor Einsamkeit durchgedreht, hätte er nicht unter dem Bett einen Kugelschreiber gefunden. Damit und mit ein paar alten Notizzetteln konnte er sich die Zeit ein wenig vertreiben, indem er den Ausblick aus seinem Fenster zeichnete. Als ihm das zu langweilig wurde, ging er dazu über, ausführliche Notizen und Listen auf die Zeichnungen zu kritzeln, die er eilig unter seine Matratze schob, wenn er Schritte auf der Treppe hörte. Diese Notizen waren der erste Entwurf seines Racheplans.
    Zu Nathanaels großem Kummer war es auch Mrs Underwood untersagt, mit ihm zu reden. Zwar glaubte er, in ihrem Verhalten ein gewisses Mitgefühl zu spüren, doch das war nur ein schwacher Trost. Er zog sich in sich zurück und sprach sie auch nicht mehr an, wenn sie hereinkam.
    So erfuhr er erst einen Monat später, als der Stubenarrest zu Ende war und der Unterricht wieder aufgenommen wurde, dass Miss Lutyens entlassen war.

13
    Den ganzen langen, feuchten Herbst über zog sich Nathanael so oft er konnte in den Garten zurück. Bei schönem Wetter nahm er sich ein paar Bücher

Weitere Kostenlose Bücher