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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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einen Schornstein knallte.
    Irgendwie symbolisch. So was passiert einem nur in trügerischer Freiheit.
    Ich flog weiter, eine von Millionen Tauben in der riesigen Metropole. Die Sonne beschien meine Schwingen und die kalte Brise zauste mein hübsches Gefieder. Unter mir erstreckten sich die endlosen Reihen graubrauner Dächer wie die Furchen eines riesigen herbstlichen Ackers bis an den trüben Horizont. Wie mich diese verführerische Weite lockte! Am liebsten wäre ich, ohne mich noch einmal umzusehen, einfach immer geradeaus geflogen, bis ich die verdammte Stadt hinter mir gelassen hätte. Das wäre durchaus möglich gewesen. Niemand hätte mich daran gehindert. Niemand hätte mich zurückbeordert.
    Aber ich durfte diesem Drang nicht nachgeben. Der Junge hatte mir unmissverständlich klar gemacht, was geschehen würde, falls ich Simon Lovelace nicht ausspionierte und ihm anschließend alles brühwarm berichtete. Klar, im Moment konnte ich gehen, wohin ich wollte. Ich konnte mir aussuchen, auf welche Weise ich mir meine Infos verschaffte (immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass alles, was ich zu Nathanaels Nachteil tat, mir schon bald selbst zum Nachteil gereichen würde). Der Junge würde mich erst mal eine Weile in Ruhe lassen (er war erschöpft und musste sich ausruhen 42
(Da war er nicht der Einzige, das kannst du mir glauben.)
). Ich hatte einen ganzen Monat Zeit, um den Auftrag zu erledigen. Trotzdem musste ich die Befehle des Jungen zu seiner Zufriedenheit ausführen. Wenn nicht, drohte mir ein Aufenthalt im Sanatorium LUNGENSTOLZ, das in diesem Augenblick wahrscheinlich auf dem Grund der Themse im dicken, dunklen Schlick versank. Freiheit ist eine Illusion, sie hat immer ihren Preis.
    Nach eingehender Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass ich die dürftige Wahl hatte, entweder an einen bereits bekannten Ort oder eine bereits bekannte Tatsache anzuknüpfen. Der Ort war Simon Lovelace’ Villa in Hampstead, in der er vermutlich den größten Teil seiner unsauberen Geschäfte abwickelte. Ich war nicht darauf erpicht, noch einmal in das Haus einzudringen, aber vielleicht konnte ich ja einen Wächter installieren und überwachen, wer dort alles ein-und ausging. Die Tatsache war die, dass der Zauberer offenbar auf krummen Wegen in den Besitz des Amuletts von Samarkand gekommen war. Vielleicht trieb ich jemanden auf, der mehr über die Geschichte des Artefakts wusste – beispielsweise, wer der vorige Besitzer war.
    Von diesen beiden Anknüpfungspunkten schien mir eine Stippvisite in Hampstead der aussichtsreichere. Den Weg kannte ich ja schon.
    Diesmal hielt ich Abstand von der Villa. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte ich ein Haus, von dem aus man einen passablen Ausblick auf Lovelace’ Einfahrt und Gartentor hatte, und ließ mich auf der Dachrinne nieder. Dann sondierte ich das Terrain. Seit der vergangenen Nacht waren an Lovelace’ Sicherheitssystem ein paar Veränderungen vorgenommen worden. Man hatte das Abwehr-netz repariert und mit einer zusätzlichen Schicht verstärkt. Außerdem hatte man die am schlimmsten verkokelten Bäume gefällt und weggeschafft. Viel bedenklicher war jedoch, dass inzwischen auf der vierten und fünften Ebene etliche große, dünne, rötliche Kreaturen das Gelände durchstreiften.
    Lovelace, Faquarl oder Jabor ließen sich nicht blicken, aber das hatte ich auch nicht angenommen. Ich stellte mich auf mindestens eine Stunde Wartezeit ein, plusterte zum Schutz gegen den Wind die Federn auf und hielt die Augen offen.
    Drei Tage hockte ich auf der Dachrinne. Drei volle Tage. Die Verschnaufpause tat mir zweifellos gut, doch die anhaltenden Schmerzen, die mir meine physische Gestalt verursachte, zerrten an meinen Nerven. Außerdem war mir entsetzlich langweilig. Es ereignete sich absolut nichts von Bedeutung.
    Morgen für Morgen taperte ein ältlicher Gärtner durch den Garten und streute Dünger auf die Stellen, an denen Jabors Explosionen in den Rasen eingeschlagen hatten. Nachmittags schnippelte er ein bisschen an den Obstbäumen herum und harkte die Einfahrt, bevor er auf eine Tasse Tee wieder ins Haus schlurfte. Er bemerkte die drei roten Biester gar nicht, die ihn wie gigantische, gierige Raubvögel auf Schritt und Tritt verfolgten. Zweifellos wurden sie lediglich durch die strikten Befehle ihres Beschwörers davon abgehalten, ihn zu verspeisen.
    Abend für Abend schwärmte eine ganze Staffel Suchkugeln aus, um die Stadt zu durchkämmen. Der Zauberer selbst

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