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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Vorsichtsmaßnahme – der Tabaksdose auf dem Grund der Themse – fühlte sich Nathanael nicht besonders unangreifbar. So sehr er sich auch bemühte, nicht daran zu denken, die Angst kehrte immer wieder
– wie ein schlechtes Gewissen, das einen piesackte und einem keine Ruhe ließ. Vielleicht hatte er ja etwas Entscheidendes vergessen, das der Dämon ausnutzen konnte… vielleicht schmiedete Bartimäus in eben diesem Moment schon Rachepläne, statt wie befohlen Lovelace auszuspionieren.
Er lag zwischen Orangenschalen und zerknüllten Papiertaschentüchern in den Kissen und seine Gedanken kreisten endlos um die unzähligen unerfreulichen Möglichkeiten. Die Versuchung, den Zauberspiegel unter den Dachziegeln hervorzuholen und Bartimäus zu beobachten, war groß. Aber er wusste, wie unvernünftig das gewesen wäre
– er fühlte sich benommen, seine Stimme war nur ein heiseres Krächzen, und er war so schwach, dass er sich nicht einmal aufsetzen, geschweige denn einen kleinen, streitlustigen Kobold im Zaum halten konnte. Vorerst musste er den Dschinn wohl oder übel sich selbst überlassen. Bestimmt würde alles gut gehen.
    Dank Mrs Underwoods Pflege war Nathanael am dritten Morgen wieder auf den Beinen.
    »Gerade noch rechzeitig«, sagte sie. »Heute ist unser großer Abend.«
    »Wer kommt denn noch alles?«, fragte Nathanael. Er saß im Schneidersitz auf dem Küchenfußboden und putzte seine Schuhe.
    »Alle dreihundert amtierenden Minister, ihre jeweiligen Ehepartner, einige auserwählte benannte Gehilfen… und ein paar Emporkömmlinge, unbedeutendere Zauberer aus Militär und öffentlichem Dienst, die kurz vor der Beförderung stehen, aber noch nicht die richtigen Leute kennen. Es ist immer eine gute Gelegenheit zu beobachten, wer auf dem aufsteigenden und wer auf dem absteigenden Ast ist, John, von der Kleiderfrage ganz zu schweigen. Im Sommer sind ein paar Ministerinnen in Kaftanen im Samarkand-Stil erschienen, ziemlich gewagt, hat sich aber natürlich nicht durchgesetzt. Ach John! Konzentrier dich bitte!« Er hatte die Schuhbürste fallen lassen.
    »Tut mir Leid, Mrs Underwood, ist mir aus der Hand gerutscht. Wieso denn Samarkand? Was ist daran so schick?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Wenn du mit den Schuhen fertig bist, kannst du gleich mit der Jacke weitermachen.«
    Es war Samstag, daher fand kein Unterricht statt, der Nathanael ein wenig von der Aufregung hätte ablenken können, die ihn jedes Mal befiel, wenn er an das bevorstehende Ereignis dachte. Im Lauf des Tages wurde es immer schlimmer. Um drei Uhr, Stunden vor der Abfahrt, hatte er bereits seine besten Kleider angezogen und streifte unruhig durch das Haus – bis Mr Underwood schließlich den Kopf aus seinem Schlafzimmer streckte und ihm ärgerlich Einhalt gebot.
    »Hör auf herumzutrampeln, Junge! Mir zerspringt noch der Schädel! Oder möchtest du heute Abend lieber zu Hause bleiben?«
    Nathanael schüttelte betreten den Kopf und ging auf Zehenspitzen hinunter in die Bibliothek, wo er aus der Schusslinie war. Dort beschäftigte er sich damit, neue Bannsprüche für mittlere Dschinn auswendig zu lernen. Auf diese Weise brachte er die Zeit einigermaßen herum. Er brütete eben über der schwierigen Formel für das Scharfzackige Pendel, als der Zauberer hereinstürmte. Sein bester Mantel flatterte hinter ihm her.
    »Hier steckst du Schwachkopf! Ich habe schon im ganzen Haus nach dir gerufen! In einer Minute wären wir ohne dich losgegangen.«
    »Tut mir Leid, Sir… Ich habe gelesen…«
    »Aber bestimmt nicht in diesem Buch, du Dussel. Willst du mich veralbern? Das kommt erst in der vierten Stufe dran, und außerdem ist es auf Koptisch, das lernst du sowieso nie. Du bist eingeschlafen, gib’s zu. Jetzt aber dalli, sonst bleibst du wirklich hier!«
    Als sein Meister ins Zimmer getreten war, hatte Nathanael tatsächlich gerade die Augen geschlossen, denn auf diese Weise konnte er sich das Gelernte besser einprägen. Alles in allem war das vielleicht ganz gut so, sonst hätte er sich eine andere Erklärung aus den Fingern saugen müssen. Schon lag das Buch auf dem Stuhl, und der Gehilfe eilte in kindlicher Hast und mit klopfendem Herzen hinter seinem Meister den Korridor entlang und durch die Haustür in die Nacht hinaus, wo Mrs Underwood in einem schimmernden grünen Kleid und mit einer Art pelziger Anakonda, die sie lose um den Hals geschlungen hatte, lächelnd neben dem großen schwarzen Auto wartete.
    Nathanael hatte erst ein einziges

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