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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Mrs Underwood.
    »Danke, gut, Mrs Underwood. Sind wir bald da?«
    »Es dauert nicht mehr lange, John.«
    Sein Meister warf einen Blick in den Rückspiegel. »Lange genug, um dich zu warnen«, sagte er. »Ich wünsche, dass du mir heute Abend keine Schande machst. Wir befinden uns dort in Gesellschaft der wichtigsten Zauberer dieses Landes, Männer und Frauen, deren Fähigkeiten deine Vorstellungskraft bei weitem übersteigen. Wenn du dich danebenbenimmst, ist mein Ruf ruiniert. Du weißt, was mit Disraelis Gehilfen passiert ist?«
    »Nein, Sir.«
    »Es geschah ebenfalls anlässlich einer Regierungserklärung. Als Disraeli gerade den anderen Gästen vorgestellt wurde, stolperte sein Gehilfe auf der Treppe von Westminster Hall, prallte gegen seinen Meister und stieß ihn kopfüber die Stufen hinunter. Disraelis Sturz wurde von der Herzogin von Argyle aufgehalten – einer zum Glück gut gepolsterten Dame.«
    »Ja, Sir.«
    »Disraeli stand auf und entschuldigte sich mit ausgesuchter Höflichkeit bei der Herzogin. Dann drehte er sich nach seinem Gehilfen um, der zitternd und schluchzend oben an der Treppe stand, und klatschte in die Hände. Der Gehilfe sank mit flehend ausgestreckten Armen auf die Knie, aber das half ihm nichts. Es wurde etwa fünfzehn Sekunden stockfinster in der großen Halle. Als es wieder hell wurde, war der Gehilfe verschwunden. Dort wo er gekniet hatte, stand eine Figur aus massivem Gusseisen. In den flehend erhobenen Händen hielt sie einen eisernen Schaber, an dem sich seit nunmehr hundertfünfzig Jahren jeder, der die Halle betritt, die Schuhsohlen abstreifen kann.«
    »Ehrlich, Sir? Kann ich die Figur nachher mal sehen?«
    »Damit meine ich, dass es demnächst einen dazu passenden Hutständer gibt, falls du mich irgendwie in Verlegenheit bringst, Junge.
    Haben wir uns verstanden?«
    »Allerdings, Sir.« Nathanael nahm sich vor, demnächst die Versteinerungsformeln nachzuschlagen. Er glaubte, sich zu erinnern, dass sie etwas mit der Beschwörung eines Afriten von beträchtlicher Macht zu tun hatten. So wie er die Fähigkeiten seines Meisters einschätzte, bezweifelte er, dass dieser zu etwas Vergleichbarem überhaupt imstande war. Im Halbdunkeln huschte ein Lächeln über sein Gesicht.
    »Bleib immer hinter mir«, fuhr Mr Underwood fort. »Sprich nur, wenn ich es dir ausdrücklich erlaube, und glotz die anderen Zauberer nicht an, egal wie missgestaltet sie aussehen. Und jetzt sei still. Wir sind da, ich muss mich konzentrieren.«
    Der Wagen wurde langsamer und schloss sich einer Prozession schwarzer Fahrzeuge an, die auf der breiten grauen Fahrbahn der Whitehall dahinrollten. Erst kamen sie an einer Reihe Denkmäler für die siegreichen Magier des viktorianischen Zeitalters und die gefallenen Helden des Großen Krieges vorbei, danach an einigen wuchtigen, stilisierten Skulpturen, die verschiedene Tugenden verkörperten (Vaterlandsliebe, Achtung vor der Obrigkeit, die Ergebene Ehefrau). Dahinter erhoben sich die schmucklosen, vielfenstrigen Bürogebäude, in denen die Behörden untergebracht waren.
    Die Wagenkolonne bewegte sich nur noch im Schneckentempo voran. Jetzt erst fielen Nathanael die kleinen Gruppen schweigender Passanten auf, die den vorübergleitenden Autos nachsahen. Soweit er es beurteilen konnte, wirkten sie bestenfalls verdrossen, wenn nicht gar feindselig. Die meisten hatten schmale, ausgemergelte Gesichter. Etwas weiter weg standen große Männer in grauen Uniformen und behielten die Menge unauffällig im Auge. Alle – Polizisten wie Gewöhnliche – machten einen ziemlich verfrorenen Eindruck.
    Geschützt in dem bequemen Wagen, überkam Nathanael wohlige Selbstzufriedenheit. Endlich gehörte er zu den Eingeweihten, war sogar ins Parlament eingeladen. Er war etwas Besonderes, er hob sich von der Masse ab – ein gutes Gefühl. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er die träge Heiterkeit, die leicht erworbene Macht mit sich bringt.
    Jetzt hatte der Wagen den Parliament Square erreicht. Sie bogen nach links ab und fuhren durch ein schmiedeeisernes Tor. Mr Underwood zückte einen Ausweis, man winkte sie durch, dann überquerte der Wagen einen kopfsteingepflasterten Vorplatz und rollte über eine Rampe in ein unterirdisches, neonbeleuchtetes Parkhaus. Mr Underwood suchte sich eine freie Parkbucht und stellte den Motor ab.
    Im Fond grub Nathanael die Finger in den Ledersitz. Er bebte vor unterdrückter Vorfreude.
    Sie waren da.

19
    Sie gingen an einer endlosen Reihe

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