Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
Mal im Wagen seines Meisters gesessen und daran konnte er sich nicht mehr erinnern. Er stieg hinten ein und bestaunte die glatten, glänzenden Lederpolster und den sehr künstlich riechenden Dufttannenbaum, der am Rückspiegel baumelte.
    »Setz dich ordentlich hin und mach keine Tapser an die Scheiben.« Mr Underwoods Augenbrauen blickten ihn finster aus dem Spiegel an. Nathanael lehnte sich zurück, legte brav die Hände in den Schoß und los ging die Fahrt zum Parlament.
    Sie fuhren nach Süden. Nathanael schaute aus dem Fenster. Londons zahllose Lichter – Scheinwerfer, Schaufenster, Straßenlaternen, erleuchtete Wohnungen, Wachkugeln – zuckten in rascher Folge über sein Gesicht. Er starrte mit aufgerissenen Augen hinaus und sog alles begierig in sich auf. Ein Ausflug in die Stadt war schon für sich genommen ein Erlebnis, das Nathanael, der sein Wissen über die Außenwelt hauptsächlich aus Büchern bezog, allzu selten widerfuhr. Gelegentlich, wenn er Kleidung oder Schuhe brauchte, nahm ihn Mrs Underwood im Bus zum Einkaufen mit, und einmal, als Mr Underwood geschäftlich unterwegs gewesen war, war sie mit ihm in den Zoo gegangen. Doch er war nur selten aus Highgate herausgekommen, abends schon gar nicht.
    Wie gewöhnlich war es die schiere Größe, die ihm den Atem verschlug, die unzähligen Straßen und Sträßchen, die Lichtbänder, die sich in alle Himmelsrichtungen wanden. Die meisten Häuser sahen ganz anders aus als die Häuser in der Straße, in der sein Meister wohnte: Sie waren viel kleiner, schäbiger, dichter zusammengedrängt. Oft schienen sie sich um große, fensterlose Gebäude mit flachen Dächern und hohen Schornsteinen zu scharen, wahrscheinlich Fabriken, in denen sich die Gewöhnlichen zu irgendwelchen langweiligen Tätigkeiten einfanden. Daher interessierten sie Nathanael nicht besonders.
    Auch die Gewöhnlichen selbst waren zu besichtigen, Nathanael wunderte sich jedes Mal, wie viele es davon gab. Trotz der Dunkelheit und des abendlichen Nieselregens waren sie in erstaunlich großer Zahl unterwegs. Sie wuselten umher wie die Ameisen in Mr Underwoods Garten, gingen in Läden ein und aus und verschwanden ab und an in heruntergekommenen Eckkneipen, durch deren matte Scheiben warmes, orangefarbenes Licht nach außen drang. Jeder Kneipeneingang hatte seine eigene Wachkugel. Sie schwebte unübersehbar über dem Türsturz und hüpfte dunkelrot blinkend auf und ab, wenn jemand darunter hindurchging.
    Sie waren eben an einer Kneipe vorbeigefahren – ein besonders großes Exemplar an einem U-Bahnhof – als Mr Underwood mit der Faust so laut auf das Armaturenbrett hieb, dass Nathanael zusammenzuckte.
    »Da ist eine, Martha!«, rief er. »Und zwar von der übelsten Sorte! Wenn es nach mir ginge, müsste die Nachtpolizei gleich morgen eine Razzia durchführen und sie allesamt mitnehmen.«
    »Es muss doch nicht immer gleich die Nachtpolizei sein, Arthur«, sagte seine Frau gequält. »Es gibt bestimmt bessere Methoden, sie umzuerziehen.«
    »Ach, du hast doch keine Ahnung, Martha. Zeig mir irgendeine Londoner Kneipe, und ich zeige dir, wo sich die Gewöhnlichen versammeln. Auf dem Speicher, im Keller, in einem Geheimzimmer hinter der Theke… Ich kenne mich aus – unsere Abteilung für Innere Angelegenheiten hat schon viele solcher Razzien durchgeführt. Aber wir haben nie Beweise sichergestellt und auch keins der gesuchten Stücke, deretwegen wir gekommen sind – wir finden immer nur leere Räume vor, ein paar Tische und Stühle… Glaub mir, der ganze Ärger nimmt in Spelunken wie der da seinen Anfang. Der PM muss endlich etwas unternehmen, aber wer weiß, was sie bis dahin schon alles angerichtet haben. Mit Wachkugeln allein ist es nicht getan! Diese Drecklöcher gehören bis auf die Grundmauern niedergebrannt, das habe ich Duvall heute Nachmittag auch gesagt, aber auf mich hört natürlich mal wieder keiner.«
    Nathanael hatte schon früh gelernt, keine Fragen zu stellen, ganz gleich, wie sehr ihn etwas interessierte. Er spähte durch die Heckscheibe und sah die orangefarbenen Kneipenlichter kleiner werden und schließlich verlöschen.
    Jetzt kamen sie ins Zentrum, wo die Gebäude höher und prächtiger waren, wie es der Hauptstadt eines Weltreiches geziemte. Auf den Straßen sah man mehr Privatautos, die Ladenfronten wurden breiter und prunkvoller und zwischen den Gewöhnlichen bummelten auch Zauberer die Bürgersteige entlang.
    »Wie geht’s dir da hinten, mein Lieber?«, erkundigte sich

Weitere Kostenlose Bücher