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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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glänzender schwarzer Autos entlang zu einer zweiflügligen Metalltür. Inzwischen war Nathanael zu aufgeregt, um seine Umgebung noch richtig wahrzunehmen. Er war so verwirrt, dass er die beiden schlanken Wachposten, von denen sie an der Tür aufgehalten wurden, kaum wahrnahm, und auch nicht, dass sein Meister drei Plastikausweise hervorzog, die überprüft und dann zurückgegeben wurden. Er registrierte weder den eichenholzgetäfelten Aufzug noch die kleine rote Kugel, die sie von der Aufzugdecke aus beobachtete. Erst als sich die Aufzugtüren wieder öffneten und sie in die prachtvolle Westminster Hall hinaustraten, kam er wieder zu sich.
    Es war ein riesiger, hoher Saal mit einem steilen Deckengewölbe aus vom Alter geschwärzten Holzbalken. Wände und Boden bestanden aus großen, glatten Steinplatten und die reich verzierten Spitzbogenfenster waren mit kunstvollen Mustern aus buntem Glas versehen. Auf der gegenüberliegenden Seite öffneten sich unzählige Fenster und Türen zu einer Terrasse, die hoch über dem Fluss lag. Von der Decke und von Messinghaltern an den Wänden hingen gelbe Laternen. In der Halle selbst standen oder spazierten schon ungefähr zweihundert Leute herum, doch der Raum war so groß, dass er trotzdem so gut wie leer wirkte. Nathanael schluckte beklommen. Mit einem Mal kam er sich wieder schrecklich unbedeutend vor.
    Er stand neben Mr und Mrs Underwood am oberen Absatz einer Treppe, die in einem eleganten Bogen in den Saal hinabführte. Ein schwarz gekleideter Diener trat lautlos an sie heran und nahm Mr Underwood den Mantel ab, ein anderer forderte sie mit einer einladenden Handbewegung auf, die Stufen hinunterzusteigen.
    Auf dem Treppenabsatz erregte eine stumpfgraue Statue Nathanaels Aufmerksamkeit: ein kniender, altmodisch gekleideter Junge mit aufgerissenen Augen. In den erhobenen Händen hielt er einen Schuhabstreifer. Obwohl sich die Einzelheiten seiner Züge im Lauf der Jahre abgenutzt hatten, zeichnete sich in seinem Gesicht immer noch ein so seltsam flehender Ausdruck ab, dass es Nathanael kalt über den Rücken lief. Er ging rasch weiter, wahrte jedoch gebührenden Abstand von seinem Meister.
    Unten angekommen, blieben sie stehen. Sofort eilten Diener herbei und boten ihnen Champagner (den Nathanael gern probiert hätte) und Zitronenlimonade an (die er nicht probieren wollte, aber nehmen musste). Mr Underwood trank einen großen Schluck und ließ den Blick unruhig über die Gäste schweifen. Mrs Underwood schaute mit geistesabwesendem, verträumtem Lächeln um sich. Nathanael nippte an seiner Limonade und sah sich ebenfalls um.
    Überall schlenderten lachende, schwatzende Zauberer jeden Alters umher, die Halle war ein einziges Gewimmel aus schwarzen Anzügen und eleganten Abendkleidern, im Lampenlicht blitzenden Zähnen und funkelndem Schmuck. An den Türen waren Männer mit unbewegten Gesichtern postiert. Sie trugen alle die gleichen grauen Jacken, und Nathanael vermutete, dass es sich um Polizisten oder um für die Sicherheit verantwortliche Zauberer handelte, die bereit waren, beim geringsten Anzeichen von Unruhe ihre Dschinn zu rufen. Er konnte aber trotz seiner Linsen keine übernatürlichen Wesen im Saal ausmachen.
    Stattdessen fielen ihm etliche großspurig auftretende Jungen und sich betont gerade haltende Mädchen auf, bei denen es sich offensichtlich ebenfalls um Gehilfen handelte. Sie plauderten ausnahmslos ungezwungen mit den anderen Gästen und schienen überhaupt nichts dabei zu finden. Plötzlich wurde Nathanael bewusst, wie verlegen sein Meister und Mrs Underwood herumstanden, abseits von den anderen Gästen und von diesen unbeachtet.
    »Sollten wir uns nicht mit jemandem unterhalten?«, erlaubte er sich zu fragen.
    Mr Underwood warf ihm einen giftigen Blick zu. »Hab ich dir nicht gesagt…« Er unterbrach sich, um einen dicken Mann, der gerade die Treppe herunterkam, überschwänglich zu begrüßen: »Grigori!«
    Grigori wirkte nicht sonderlich begeistert. »Hallo, Underwood.«
    »Wie schön, Sie zu sehen!« Mr Underwood ging auf den Mann zu und stürzte sich in seinem Eifer, ein Gespräch zu beginnen, förmlich auf ihn. Seine Frau und Nathanael ließ er einfach stehen.
    »Will er uns denn gar nicht vorstellen?«, fragte Nathanael enttäuscht.
    »Mach dir nichts draus, mein Lieber. Für deinen Meister ist es wichtig, mit bestimmten Leuten zu sprechen. Wir brauchen das nicht. Aber wir können uns ein bisschen umsehen, das macht immer Spaß…« Kopfschüttelnd

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