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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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und schlenderte zögernd den Weg entlang, wobei er sich mit ausgestreckter Hand zwischen den Steinen hindurchtastete. Eine Eule huhute dumpf, vielleicht wollte sie ankündigen, dass gleich jemand eines gewaltsamen Todes stürbe, vielleicht hatte sie sich aber auch nur über die affige Riesenmütze meines Herrn erschreckt. Auf seinem Hinterkopf wippte die blutrote Feder und schimmerte matt im schwachen Laternenschein.
    Nathanael schritt auf und ab. Die Fledermaus hing reglos an ihrem Stein. Die Zeit verging so langsam wie immer, wenn man sich auf Friedhöfen herumtreibt. Nur ein Mal rührte sich etwas auf der Straße zu Füßen des Gitters: eine seltsame, vierbeinige und zweiarmige Kreatur mit einer Art doppeltem Kopf kam aus dem Dunkel geschlichen. Mein Herr erblickte sie und blieb verunsichert stehen. Das Wesen kam an einer Laterne vorbei und entpuppte sich als flirtendes, eng umschlungenes Pärchen, zärtlich Wange an Wange geschmiegt. Sie küssten sich eifrig, kicherten ein bisschen und spazierten weiter. Mein Herr sah ihnen nach und machte dabei ein komisches Gesicht. Ich glaube, es sollte verächtlich aussehen.
    Von da an wurde sein Auf-und-Ab-Schreiten, das von Anfang an nicht sehr entschlossen gewirkt hatte, eindeutig unentschlossen. Er schlurfte den Weg entlang, trat unsichtbare Kiesel vor sich her und schlang den langen schwarzen Umhang nachlässig um die hochgezogenen Schultern. Er schien nicht besonders bei der Sache zu sein. Ich fand, er könnte ein paar aufmunternde Worte gebrauchen, flog zu ihm hinüber und schwirrte über einem Grabstein auf der Stelle.
    »Kopf hoch!«, sagte ich. »Du siehst ein bisschen schlapp aus. Wenn du dir keine Mühe gibst, verschreckst du diesen Harlekin womöglich. Stell dir einfach vor, du hättest ein romantisches Rendezvous mit einer jungen, hübschen Zauberin.«
    Die Hand dafür ins Feuer legen würde ich nicht, dafür war es zu dunkel und so, aber ich hatte fast den Eindruck, als würde er rot. So, so… Vielleicht sollte ich mir für später merken, dass man ihn mit so was kriegen konnte.
    »Das hat doch keinen Zweck«, raunte er. »Es ist schon fast halb eins. Wenn er hier wäre, hätte er sich längst bemerkbar machen müssen. Ich glaube eher… hörst du mir überhaupt zu?«
    »Nein.« Die Fledermausohren hatten ein fernes Scharren aufgeschnappt. Ich flatterte etwas höher und spähte in die Nacht. »Das könnte er sein. Halte die Feder bereit, Romeo.«
    Ich legte mich in die Kurve und segelte flach über die Gräber, um einen Zusammenstoß mit dem, was sich da auf uns zubewegte, zu vermeiden.
    Der Junge dagegen nahm eine aufrechtere Haltung ein. Den Hut verwegen schief aufgesetzt und die Hände lässig hinter dem Rücken verschränkt, schlenderte er scheinbar ganz in weltbewegende Gedanken versunken einher und ließ sich nicht anmerken, ob er das immer lautere Scharren oder das fahle Licht, das jetzt zwischen den Grabsteinen herantanzte, überhaupt wahrnahm.

Nathanael
24
    Aus dem Augenwinkel sah Nathanael die Fledermaus zu einer uralten Eibe flattern, die es irgendwie geschafft hatte, in einem Winkel des Friedhofs die unzähligen Beerdigungen im Lauf vieler Jahrhunderte zu überleben. Ein besonders verdorrter Ast bot eine gute Aussicht. Die Fledermaus landete und blieb kopfüber hängen.
    Nathanael holte tief Luft, rückte sein Barett zurecht und schlenderte möglichst unbekümmert weiter. Dabei hielt er den Blick die ganze Zeit auf das unbekannte Objekt am anderen Ende des Friedhofs gerichtet. Trotz des entschiedenen Misstrauens, das er der ganzen Veranstaltung entgegenbrachte, ließen ihn die Düsternis und Einsamkeit dieses verlassenen Ortes nicht gänzlich unberührt. Gegen seinen Willen fing sein Herz plötzlich schmerzhaft zu klopfen an.
    Was war das bloß da hinten? Ein bleiches Leichenlicht von grünlichmilchiger Farbe glitt auf ihn zu und warf dabei einen kränklichen Schein auf die Steine, die es streifte. Ihm folgte ein buckliger Schatten, der sich schlurfend zwischen den Gräbern durchschlängelte.
    Nathanael kniff die Lider zusammen, konnte aber auf keiner der drei ihm zugänglichen Ebenen irgendwelche dämonischen Aktivitäten erkennen. Das Geschöpf dort musste ein Mensch sein.
    Schließlich verriet der knirschende Kies, dass der ominöse Schatten auf dem Hauptweg angelangt war. Dort blieb er nicht stehen, sondern schlich weiter, von einem zerlumpten Umhang oder Mantel unheimlich umwallt. Schließlich erkannte Nathanael ein Paar ungesund blasse

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