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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Faltdächern überquerten gemächlich die Brücke, viele Männer und Frauen waren zu Pferde unterwegs, andere führten Ochsen oder schoben zweirädrige, mit Gemüse und kleinen Bierfässern beladene Karren. Die meisten Männer trugen nach Art der Franzosen schwarze Baskenmützen, eine Mode, die sich offenbar nach meiner Zeit, und die lag viele, viele Jahre zurück, durchgesetzt hatte.
    Der Junge verzog geringschätzig das Gesicht. »Da fällt mir was ein. Am besten bringe ich den Kostümzwang gleich hinter mich.« Er kramte in dem kleinen Lederrucksack, den er mitgenommen hatte, und zog eine große, weiche Stoffmütze hervor. Weiteres Kramen förderte eine gekringelte und ziemlich zerknitterte Feder zutage. Er hielt beides in die Höhe, um es im Laternenlicht zu begutachten.
    »Was für eine Farbe ist das deiner Meinung nach?«, fragte er mich.
    Ich überlegte. »Keine Ahnung. Vermutlich Rot.«
    »Was für ein Rot? Bitte genauer.«
    »Ähm… Ziegelrot? Feuerrot? Tomatenrot? Sonnenbrandrot? Irgendwas halt!«
    »Aber nicht Blutrot, oder?« Er fluchte. »Ich war spät dran, etwas Besseres konnte ich auf die Schnelle nicht auftreiben. Egal, es muss reichen.« Er stieß die Feder durch den Stoff und setzte das Gebilde auf.
    »Wozu soll das gut sein?«, fragte ich. »Du glaubst hoffentlich nicht, dass dir das Ding steht, du siehst nämlich aus wie ein Volltrottel.«
    »Das ist rein geschäftlich, darauf kannst du Gift nehmen. Und meine Idee war es auch nicht. Komm weiter, wir haben schon fast Mitternacht.«
    Wir ließen den Fluss hinter uns und betraten den Kern der Altstadt, wo einst das Getto Prags die kostbarsten Geheimnisse hütete. 38
(Zu Zeiten Rudolfs, als das Heilige Römische Reich in voller Blüte stand und sechs Afriten auf den soeben errichteten Mauern von Prag patrouillierten, bezog der Kaiser seinen Reichtum und seine Zaubermacht vor allem von der jüdischen Gemeinde der Stadt. Dazu verdammt, ihr Leben in den überfüllten Gassen des Gettos zu fristen und von der übrigen Prager Gesellschaft zugleich verachtet und ausgenutzt, gehörten die jüdischen Zauberer eine Zeit lang zu den fähigsten überhaupt. Da Pogrome und Hetze damals an der Tagesordnung waren, war ihre Magie größtenteils defensiver Natur, wie das Beispiel des berühmten Zauberers Löw zeigt, der den ersten Golem schuf, um die Juden gegen Übergriffe sowohl von Menschen als auch von Dschinn zu schützen. )
Die Häuser wurden kleiner und noch baufälliger und drängten sich so eng aneinander, dass sich manche fraglos nur noch dank ihrer Nachbarn aufrecht hielten. Dieser Atmosphäre vermochten wir uns beide nicht zu entziehen, aber sie beeinflusste unsere Stimmung auf ganz verschiedene Weise. Meine Substanz wurde durch die Magie, die noch immer in dem alten Gemäuer saß, und durch die Erinnerung an meine früheren Heldentaten buchstäblich aufgeladen, im Gegensatz dazu schien Nathanael immer missmutiger zu werden und brummelte und knurrte unter seinem überdimensionalen Kopfputz wie ein zänkischer Greis vor sich hin.
    »Besteht die Möglichkeit zu erfahren, was wir hier eigentlich treiben?«, erkundigte ich mich.
    Er sah auf die Uhr. »Zehn vor zwölf. Punkt Mitternacht muss ich auf dem alten Friedhof sein.« Er schüttelte den Kopf. »Noch ein Friedhof! Ist das zu fassen? Wie viele gibt es hier überhaupt? Jedenfalls soll ich mich dort mit einem Geheimagenten treffen. Er soll mich an diesem Barett erkennen und ich ihn an einer – ich zitiere –›ungewöhnlichen Kerze‹.« Er hob abwehrend die Hand. »Frag mich nicht! Ich habe keine Ahnung. Aber er kann uns womöglich jemanden nennen, der sich mit Golems auskennt.«
    »Glaubst du, irgendein tschechischer Zauberer hat in London den ganzen Wirbel veranstaltet?«, fragte ich. »Das muss nicht unbedingt zutreffen.«
    Vermutlich nickte er, wenigstens ruckte er unter der riesigen Mütze mit dem Kopf. »Das stimmt schon. Irgendein Eingeweihter muss das Lehmauge aus der Sammlung Lovelace gestohlen haben, irgendwo muss ein Verräter sein Unwesen treiben. Aber das Wissen darum, wie man damit umgeht, stammt aus Prag. Damit kennt sich in London niemand aus. Vielleicht kann uns der Agent da weiterhelfen.« Er seufzte. »Große Hoffnungen mache ich mir allerdings nicht. Wenn sich einer ›Harlekin‹ nennt, muss er schon reichlich gaga sein.«
    »Nicht mehr als du und deine Kollegen mit euren lächerlichen Decknamen, Mr Mandrake. Und was ist meine Aufgabe, während du dich mit diesem Herrn

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