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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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triffst?«
    »Du versteckst dich und passt auf. Hier ist Feindesland und ich traue weder diesem Harlekin noch sonst jemandem über den Weg. Da, das muss der Friedhof sein. Du verwandelst dich jetzt besser.«
    Wir machten auf einem kopfsteingepflasterten Platz Halt, der von Häusern mit kleinen schwarzen Fensteröffnungen umstanden war. Eine Treppe führte zu einem offenen Tor in einem verrosteten Metallzaun. Dahinter erhob sich eine dunkle, vielzahnige Silhouette… die Grabsteinreihen des alten Friedhofs.
    Der Friedhof war kaum mehr als fünfzig Meter breit, bei weitem der kleinste der Stadt. Trotzdem wurde er schon viele hundert Jahre benutzt, wovon sein ganz besonderer Charakter zeugte. Tatsächlich hatte die Vielzahl von Beerdigungen auf so begrenztem Raum dazu geführt, dass man mehrere Verstorbene übereinander begraben hatte, bis der Friedhof um fast zwei Meter höher lag als der ihn umgebende Platz. Die Grabsteine standen eng beieinander, große neigten sich über kleinere, die zur Hälfte in der Erde steckten. Dieses jegliche Planung und Vorschrift missachtende Kuddelmuddel war genau der richtige Ort, um einen Pedanten wie Nathanael aus dem Gleichgewicht zu bringen. 39
(Ehrlich gesagt rieselte auch mir ein leiser Schauer über den Rücken, aber das hatte andere Ursachen. Das Element Erde war hier übermächtig; sein Einfluss reichte bis hoch in die Luft und laugte mich aus. Dies war kein Ort für einen Dschinn. Es war eine ganz eigene Welt, in der völlig andere magische Gesetzmäßigkeiten galten als anderswo.)
    »Jetzt mach schon«, sagte er, »ich warte.«
    »Ach, das tut mir aber Leid. Unter diesem Hut kann ich dein Gesicht nicht erkennen.«
    »Verwandle dich in eine eklige Schlange oder Kanalratte oder irgendein anderes Nachtgeschöpf, ganz wie’s beliebt. Ich gehe jetzt da rein. Du hältst dich bereit, um mir notfalls beizuspringen.«
    »Nichts lieber als das.«
    Diesmal entschied ich mich für eine langohrige Fledermaus mit ledrigen Flügeln und flaumigem Kopf. In dieser Tarnung ist man schön flexibel, finde ich. Man kann sich schnell und lautlos bewegen, außerdem passt sie hervorragend zu einem mitternächtlichen Friedhofsbesuch. Flatternd verzog ich mich ins Grabsteindickicht. Als erste Vorsichtsmaßnahme ging ich rasch alle sieben Ebenen durch. So weit war alles klar, aber sie waren ausnahmslos derart von Magie durchtränkt, dass sie allein vom Gedenken an einstige Taten sanft vibrierten. Ich fand weder Fallen noch Sensoren, obwohl die schützenden Bannsprüche auf den benachbarten Gebäuden den Verdacht nahe legten, dass hier immer noch der eine oder andere Zauberer wohnte. 40
(Als Sicherheitsmaßnahmen waren sie ziemlich mangelhaft. Sogar ein armamputierter Kobold hätte sich durchmogeln können. Als Zentrum der Zauberkunst war es mit Prag seit dem letzten Jahrhundert steil bergab gegangen. )
Der Friedhof selbst war menschenleer. Zu dieser späten Stunde war das Gewirr der schmalen Wege verlassen und in schwarze Schatten getaucht. Rostige, am Gitter aufgehängte Laternen spendeten halbherzig Licht. Ich suchte mir einen schiefen Grabstein, hängte mich geschickt kopfüber dran und behielt den Hauptweg im Auge.
    Nathanael kam mit leise knirschenden Schritten durch das Tor. Im selben Augenblick begannen alle Prager Kirchenglocken zu läuten und kündigten die Geisterstunde an. 41
(Aus den verschiedensten Gründen, die vermutlich mit Astronomie und dem Winkel der Erdachse zur Ebene der Erdumlaufbahn zusammenhängen, folgt, dass zu den verwandten Stunden Mitternacht und Mittag die sieben magischen Ebenen ganz nah beieinander liegen, was dafür empfänglichen Menschen mitunter einen flüchtigen Einblick in Vorgänge verschafft, die ihnen ansonsten verborgen bleiben. Deshalb verbindet man vor allem diese beiden Tageszeiten mit Gespenstern, schwarzen Hunden, Wiedergängern und anderen Geisterwesen – wobei es sich allerdings im Allgemeinen um Kobolde oder Foliot handelt, die in der einen oder anderen Gestalt ihren Geschäften nachgehen. Da die Nacht ihre Fantasie nun einmal besonders anregt, achten die Menschen weniger auf die Erscheinungen am helllichten Mittag, aber es gibt sie trotzdem: verschwommene Gestalten huschen durch die hitzeflimmernde Luft, es sind Passanten unterwegs, die (wenn man genau hinsieht) keinen Schatten haben, bleiche Gesichter blicken aus der Menge und lösen sich, wenn man sie direkt anschaut, in Luft auf. )
Der Junge seufzte vernehmlich, schüttelte angewidert den Kopf

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