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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Hände, die aus dem Umhang ragten und etwas hielten, wovon das matte Geisterlicht ausging. Er versuchte vergeblich, das zugehörige Gesicht zu erkennen, doch das war unter einer schweren schwarzen, tief herabgezogenen Kapuze verborgen. Mehr als die Hände war von dem Unbekannten nicht zu sehen. Daraufhin richtete Nathanael seine Aufmerksamkeit auf den Gegenstand, der den seltsamen weißen Schein verströmte. Es war eine Kerze und sie klemmte in…
    »Iiih! Wie eklig!«, sagte er auf Tschechisch.
    Die Gestalt blieb abrupt stehen. Eine empörte Fistelstimme drang aus der Mönchskutte: »Hemtjem… wie meinen Sie das?« Ein zerhäckseltes Husten, dann ertönte eine dumpfere, getragenere, kurz gesagt, gruseligere Stimme: »Soll heißen: Wie… meinen… Sie… das?«
    Nathanael verzog das Gesicht. »Das scheußliche Ding, das Sie da durch die Gegend tragen. Das ist ja widerlich!«
    »Hüte dich! Es ist sehr mächtig!«
    »Es ist unhygienisch, so viel steht fest. Wo haben Sie das her?«
    »Hab’s eigenhändig bei Dreiviertelmond vom Galgen geschnitten.«
    »Das ist garantiert noch nicht mal anständig konserviert. Na bitte! Da fallen ja noch Fetzen ab!«
    »Nein, das ist bloß Wachs. Die Kerze tropft.«
    »Von mir aus, trotzdem sollte man so was nicht mit sich rumschleppen. Am besten werfen Sie’s einfach weg und waschen sich gründlich die Hände.«
    »Ist Ihnen bewusst«, sagte die Gestalt und stemmte gereizt die Faust in die Hüfte, »dass Sie von einem Gegenstand reden, der so mächtig ist, dass er meine Feinde bewegungsunfähig machen und feindliche Magie aus fünfzig Schritt Entfernung orten kann? So eine Kostbarkeit werde ich doch nicht einfach wegwerfen!«
    Nathanael schüttelte den Kopf. »Leute wie Sie gehören eingesperrt. So ein Verhalten würde in London nicht geduldet, das kann ich Ihnen aber flüstern.«
    Die Gestalt fuhr zusammen. »London? Was geht mich London an?«
    »Na, Sie sind doch Harlekin, oder nicht? Der Agent?«
    Lange Pause, dann: »Kann schon sein.«
    »Natürlich sind Sie’s. Wer sollte sonst um diese Zeit über den Friedhof geistern? Da brauche ich nicht erst Ihren abartigen Kerzenhalter zu sehen! Außerdem sprechen Sie Tschechisch mit englischem Akzent. Schluss jetzt mit dem Quatsch! Ich brauche Informationen, und zwar schnell.«
    Die Gestalt hob die freie Hand. »Moment mal! Ich weiß immer noch nicht, wer Sie sind.«
    »Ich bin John Mandrake, im Auftrag der Regierung unterwegs. Wie Sie sehr wohl wissen.«
    »Das genügt mir nicht. Ich will Beweise.«
    Nathanael verdrehte genervt die Augen. »Wenn Sie bitte hinschauen wollen.« Er zeigte auf seinen Kopf. »Blutrote Feder.«
    Die Gestalt überlegte. »Kommt mir eher ziegelrot vor.«
    »Sie ist blutrot. Oder wird es gleich sein, wenn Sie nicht mit dem Blödsinn aufhören und endlich zur Sache kommen.«
    »Na schön… von mir aus. Aber zuerst«, die Gestalt nahm eine bedrohliche Pose ein, »muss ich prüfen, ob uns irgendwer belauscht. Obacht!« Er hielt die Kerze hoch und sprach ein Wort. Sogleich machte sich das bleiche Feuer selbstständig, wurde zu einem leuchtenden Ring, der zwischen ihnen schwebte. Auf einen zweiten Befehl hin dehnte sich der Ring schlagartig nach allen Richtungen aus. Nathanael sah, wie sich die Fledermaus wie ein Stein von ihrem Ast plumpsen ließ, kurz bevor das Licht sie traf. Was dann mit ihr geschah, konnte er nicht erkennen. Der wabernde Schein erreichte den Zaun und verblasste allmählich.
    Die Gestalt nickte. »Jetzt können wir uns unbesorgt unterhalten.«
    Nathanael deutete auf die Kerze, deren Lichtkreis wieder auf seine ursprüngliche Größe geschrumpft war. »Den Trick kenne ich. Das ist ein Leuchtring, der wird von einem Kobold bedient. Dazu braucht man aber keine Leichenteile. Dieser Schauerkram ist doch der reinste Mummenschanz, da machen höchstens die Gewöhnlichen große Augen. Bei mir zieht so was nicht, Harlekin.«
    »Mag sein…« Die hagere Hand verschwand in der Kutte, und man sah den Stoff sich wölben, als sich der Träger sinnend kratzte. »Trotzdem finde ich, Sie sind zu anspruchsvoll, Mandrake. Sie leugnen die Grundlagen unseres Gewerbes. Unsere Zauberkunst ist nicht so hoch und hehr, wie Sie behaupten. Blut, Rituale, Opfer, Tod… letztendlich beruhen darauf alle unsere Beschwörungen. Letztendlich kommt keiner von uns ohne diesen ›Schauerkram‹ aus.«
    »Hier in Prag vielleicht nicht«, entgegnete Nathanael.
    »Vergessen Sie nicht, dass sich Londons Macht auf die Macht Prags

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