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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Kleines, Glänzendes kam geflogen und landete neben der Tasche. »Passen Sie gut darauf auf«, mahnte der Unbekannte, »und vergessen Sie nicht, den Schutzzauber zu aktivieren, ehe Sie die Gruft öffnen, sonst hätten wir uns das ganze Brimborium sparen können.«
    »Wir denken dran«, versprach Kitty.
    »Gut.« Sie hörte jemanden aufstehen. Die Stimme kam jetzt von oben, dicht hinter ihr. »Das wär’s dann. Viel Glück. Nicht umdrehen.«
    Das Pieksen in ihrem Nacken ließ nach, aber so unmerklich, dass Kitty erst gar nicht wusste, ob es noch da oder schon weg war. Sie blieb eine volle Minute bewegungslos sitzen und starrte mit aufgerissenen Augen an die Wand.
    Irgendwann verlor sie die Geduld.
    Mit gezücktem Messer fuhr sie geschmeidig herum.
    Die Loge war leer. Und als sie Schlüssel und Tasche an sich nahm und in den stillen Gang hinausschlich, wies nichts darauf hin, dass gerade eben noch jemand hier gewesen war.

26
    Vor langer, langer Zeit, bevor die ersten Zauberer in London auftauchten, hatte die Kathedrale von Westminster Abbey große Macht und beträchtlichen Einfluss auf die Stadt ausgeübt. Im Verlauf mehrerer Jahrhunderte von einem längst vergessenen Königsgeschlecht erbaut, hatte sich das Gotteshaus mit dem zugehörigen Grundbesitz einst über ein weitläufiges Gelände erstreckt, auf dem ganze Scharen gelehrter Mönche damit beschäftigt waren, Gottesdienste abzuhalten, sich in der Bibliothek ihren Studien zu widmen und landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten. Das Mittelschiff war über dreißig Meter hoch und am westlichen Ende sowie in der Mitte erhoben sich stupsnasige Türme über das Kirchenschiff. Das ganze Gebäude war aus massivem weißem Stein errichtet, der sich durch die Abgase und magischen Ausdünstungen der rasch wachsenden Stadt nach und nach immer dunkler färbte.
    Die Jahre vergingen, das Herrscherhaus verlor an Macht und wurde von einer Folge von Parlamenten verdrängt, die in der Westminster Hall unweit der Kathedrale tagten. Auch der Einfluss der Kirche schwand allmählich, ebenso die feisten Bäuche der letzten Mönche, die nun darben mussten. Die meisten Nebengebäude verfielen, nur der Kreuzgang, ein breiter, überdachter Wandelgang um einen quadratischen, begrünten Innenhof, war noch in gutem Zustand. Als das Parlament von einer neuen Obrigkeit übernommen wurde, einem Zusammenschluss mächtiger Zauberer, die nicht viel für die Kirche und ihre Bräuche übrig hatten, stand zu befürchten, dass der ehrwürdige Bau ganz und gar verfallen würde.
    Doch eine alte Tradition rettete das Gebäude. Von jeher wurden die bedeutendsten Staatsmänner des Landes, seien es nun Könige oder Parlamentsmitglieder, in der Krypta der Kathedrale beigesetzt. Unzählige Grabmäler und Gedenktafeln scharten sich bereits um die Pfeiler im Mittelschiff und der Boden darunter war wie eine Bienenwabe von Grüften und Grabkammern ausgehöhlt. Die Zauberer, die nicht minder als vor ihnen die Könige nach unsterblichem Ruhm strebten, beschlossen, diese Sitte beizubehalten, und es galt fortan als große Ehre, in der Westminster Abbey beigesetzt zu werden.
    Man verjagte die verbliebenen Mönche und bestellte eine Hand voll Geistliche, um bei Bedarf einen Gottesdienst abzuhalten. Damit rettete sich die Kathedrale als eine Art riesiges Mausoleum in die Neuzeit hinüber. Tagsüber kamen gelegentlich ein paar Gewöhnliche vorbei und nachts machte alle Welt einen großen Bogen um das ganze Gelände. Westminster Abbey hatte einen unguten Ruf.
    Aus diesem Grund waren die Sicherheitsvorkehrungen vergleichsweise harmlos. Es war ausgesprochen unwahrscheinlich, dass die Gruppe irgendwelchen Wachen in die Arme laufen würde, als Punkt halb zwölf der Erste vor der unverschlossenen Tür zum Kreuzgang stand und sich geräuschlos hindurchstahl.
    Kitty hätte sich gern schon vorher zu den offiziellen Besichtigungszeiten dort umgesehen, um Gladstones Grab wenigstens schon einmal von außen zu betrachten, aber Mr Pennyfeather hatte es ihr verboten. »Damit machen wir uns womöglich verdächtig.«
    Doch ihre Sorge war unbegründet. Wie es seine Art war, hatte sich Mr Hopkins auch an jenem nicht enden wollenden Tag, an dem ihrer aller Nerven zum Zerreißen gespannt waren, nützlich gemacht und mit diversen Karten der Kathedrale und ihrer Umgebung herumhantiert. Er erläuterte ihnen den Grundriss des Querschiffs, unter dem die meisten Gräber lagen, zeigte ihnen, wo der überdachte Kreuzgang war, in dem die Mönche

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