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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Schwierigkeiten.
    »Komm schon!« Ein leises Klicken, trübes Licht fiel auf die Fliesen. Nick hatte die Laterne abgestellt und kämpfte beidhändig mit dem Riegel. Dicht hinter sich, fast an ihrem Ohr, hörte Kitty Fred eine Verwünschung murmeln. Jetzt erst merkte sie, dass sie vor Anspannung die Zähne so fest zusammenbiss, dass ihr Kiefer schmerzte. Hatte sich der Unbekannte geirrt? War die Tür doch abgeschlossen? Wenn ja, waren sie aufgeschmissen. Es gab keine andere Möglichkeit, die Kathedrale zu betreten, und aufsprengen konnten sie die Tür nicht, das war zu riskant.
    Jemand schob sich an ihr vorbei. Dem Geruch nach war es Fred.
    »Lass mich mal ran. Mach Platz…« Es raschelte noch mehr, als Nick beiseite trat. Dann rappelte es, man hörte Fred ächzen, und es krachte, gefolgt von einem dumpfen Schlag und dem Quietschen rostiger Scharniere. Fred klang zufrieden, als er brummte: »Hab schon gedacht, wir hätten ein Problem. Das war ja kinderleicht.«
    Er nahm wieder seinen Platz ein und die Truppe defilierte im Gänsemarsch stumm durch die Tür. Der Letzte machte sie wieder hinter sich zu. Sie standen im Mittelschiff der Westminster Abbey.
    Nick rückte die Abdeckung seiner Laterne zurecht, damit der Lichtkreis so klein wie möglich blieb. Sie warteten einen Moment, bis sich ihre Augen an die neuen Verhältnisse gewöhnt hatten. Es war nicht gänzlich finster in der Kathedrale. Nach und nach machte Kitty an der gegenüberliegenden Nordwand die schemenhaften Konturen großer Bogenfenster aus. Schwaches Licht, unter anderem von entfernten Autoscheinwerfern, fiel von draußen durch die Scheiben. Seltsame Gestalten waren auf dem Glas abgebildet, aber das Licht reichte nicht aus, um Einzelheiten zu erkennen. Von der Straße drang kein Laut herein, Kitty kam sich vor wie in einem riesigen Wattekokon.
    Sie stand neben einem Pfeiler, der so hoch war, dass sein Kapitell mit dem Deckengewölbe verschmolz. Solche Pfeiler waren in gleichmäßigen Abständen über das ganze Kirchenschiff verteilt. Um ihre Sockel zeichneten sich zahllose massige schwarze, eigenartig geformte Silhouetten ab. Kitty spürte ein schmerzhaftes Ziehen im Magen: lauter Denkmäler und Grabstätten.
    Ein dumpfes Pochen verriet, dass Mr Pennyfeather weitermarschierte. Obwohl auch er eine Sturmhaube über den Mund gezogen hatte, rief seine Stimme unzählige Echos hervor, die seufzend zwischen Wänden und Pfeilern hin und her gaukelten, als er raunte: »Beeilt euch. Mir nach!«
    Unter dem unsichtbaren Deckengewölbe folgten sie dem Lichtschein durch den weiten Kirchenraum. Mr Pennyfeather ging so rasch voran, wie es seine Verfassung zuließ, die anderen drängten sich hinter ihm. Stanley ging links außen. Als sie an einem formlosen schwarzen Etwas vorbeikamen, hob er neugierig die Laterne, stieß einen Schreckensschrei aus und sprang zurück. Schatten wirbelten im wabernden Licht und der Widerhall seines Aufschreis schrillte ihnen in den Ohren.
    Mr Pennyfeather fuhr herum. In Kittys Hand blitzte das Messer, in Freds und Nicks Händen funkelten Silberscheiben. »Was ist?«, übertönte Kitty zischelnd ihr pochendes Herz.
    Eine klägliche Stimme erwiderte: »Neben mir… da… da is ein Gespenst…«
    »Gespenster gibt’s nicht. Heb die Laterne hoch.«
    Stanley gehorchte mit sichtlichem Widerstreben. Der zitternde Lichtschein fiel auf eine Nische mit einem Steinsockel. Aus einer halbrunden Vertiefung war ein in Leichentücher gehülltes Gerippe mit einer Lanze in der Hand herausgemeißelt.
    »Ach so…«, sagte Stanley kleinlaut. »Es is bloß aus Stein.«
    »Du Trottel!«, flüsterte Kitty. »Das ist ein Grabmal. Noch lauter ging’s wohl nicht?!«
    »Auf jetzt.« Mr Pennyfeather ging schon wieder weiter. »Die Zeit wird knapp.«
    Als sie um einen gewaltigen Pfeiler herumgegangen und ins nördliche Querschiff gelangt waren, wurden die Grabmäler links und rechts, soweit sie das erkennen konnten, sogar noch zahlreicher. Nick und Stanley hoben ihre Laternen. Hier irgendwo musste auch Gladstones Grabmal sein. Viele Statuen waren lebensgroße Nachbildungen verstorbener Zauberer. Sie thronten auf steinernen Sesseln und lasen in Pergamentrollen oder waren in steinerne Umhänge gewandet und hatten Heldenposen eingenommen. Ihre blassen, scharf geschnittenen Gesichter blickten blind auf die Eindringlinge herab. Eine lächelnde Zauberin hielt einen Käfig mit einem betrübt dreinschauenden Frosch in der Hand. Kittys Nerven lagen blank, trotz ihrer eisernen

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