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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Entschlossenheit. Je eher sie hier wieder verschwanden, desto besser.
    »Da ist er«, flüsterte Mr Pennyfeather.
    Eine schlichte Statue aus weißem Marmor. Der Mann auf dem flachen, runden Sockel hatte die Stirn in Falten gelegt und wirkte wie tief in Gedanken versunken. Er trug einen wallenden Umhang, einen altmodischen Gehrock und darunter ein Hemd mit hohem, steifem Kragen. Die Hände hatte er locker vor dem Leib verschränkt. Ein einziges Wort war in den Marmorsockel graviert:
GLADSTONE
    Wider Willen flößte ihnen der Name lähmende Ehrfurcht ein. Sie wagten nicht, sich dem Standbild zu nähern, und hielten, aneinander gedrängt, respektvoll Abstand. »Den Schlüssel zur Gruft hab ich in der Tasche«, sagte Mr Pennyfeather leise. »Der Zugang müsste in dem Pfeiler dort drüben sein. Eine kleine Bronzetür. Kitty, Anne… ihr habt die besten Augen. Sucht die Tür und das Schlüsselloch. Laut unserem…«, er unterdrückte ein Husten, »…unserem Lageplan müsste es auf der linken Seite sein.«
    Kitty und Anne gingen um die Statue herum und Anne ließ den Lichtkegel der Stablampe über das Mauerwerk wandern. Schritt für Schritt wagten sie sich vor, bis sie mattes Metall aufglänzen sahen. Sie traten noch näher. Die Bronzetür war niedrig, kaum anderthalb Meter hoch, und ziemlich schmal. Mit Ausnahme der kleinen Nägel an den Rändern war sie unverziert.
    »Ich hab’s«, flüsterte Kitty. Ein winziges Loch auf halber Höhe am linken Rand. Anne hielt die Lampe davor: Das Schlüsselloch war voller Spinnweben. Jetzt kam auch Mr Pennyfeather mit den anderen heran und alle scharten sich um den Pfeiler.
    »Nicholas«, sagte Mr Pennyfeather, »den Hermetischen Mantel!«
    Kitty stand wartend zwischen ihren Gefährten im Dunkeln und atmete gleichmäßig durch die wollene Sturmhaube. Von der Kreuzung vor dem Parlament hörte man ab und zu das gedämpfte Summen einer Limousine, sonst war alles ruhig… nur Mr Pennyfeather hustete leise in seine Handschuhe.
    Nick räusperte sich. »Ich wär dann so weit.« Im nächsten Moment heulten draußen Sirenen auf, die erst lauter wurden und näher kamen, dann aber verklang ihr klagendes Jaulen auf der Westminster Bridge. Als es wieder still war, nickte Mr Pennyfeather kurz. »Rückt zusammen, sonst schützt euch der Mantel nicht«, befahl er.
    Das ließen sich Kitty und die anderen nicht zweimal sagen. Sie stellten sich Schulter an Schulter im Kreis auf, die Gesichter einander zugewandt. In der Mitte stand Nick und hielt in einer Hand ein hübsches Ebenholzkästchen, in der anderen einen kleinen Hammer. Mr Pennyfeather nickte abermals. »Ich halte den Schlüssel bereit. Sobald uns der Mantel einhüllt, stecke ich ihn ins Schloss und drehe ihn um. Ihr rührt euch nicht vom Fleck, ganz gleich, was geschieht.«
    Nick hob den Hammer und ließ ihn schwungvoll auf das Holzkästchen fallen. Der Deckel zersprang mit einem Krachen wie ein Pistolenschuss. Aus dem Kästchen stieg eine wirbelnde Wolke gelb blinkender Funken auf. Sie strudelte spiralförmig etwa vier Meter über die Köpfe der Truppe, dann brach sie sich wie eine Springbrunnenfontäne, fiel auf den Steinboden und wurde davon aufgesogen. Unablässig stiegen neue Funken aus dem Kästchen auf und sanken wieder herab, bildeten einen schwach glitzernden Baldachin, der sie wie eine Kuppel umschloss.
    Mr Pennyfeather holte den winzigen goldenen Schlüssel aus der Tasche. Darauf bedacht, dass seine Hand nicht aus der Funkenkuppel herausragte, steckte er ihn hastig ins Schloss, drehte ihn um und zog die Hand blitzschnell zurück.
    Sie warteten. Niemand regte sich. Kitty stand der kalte Schweiß im Gesicht.
    Geräuschlos schwang die kleine Bronzetür nach innen auf. Dahinter war es stockfinster und durch das Dunkel kam langsam eine leuchtend grüne Lichtkugel herangeschwebt. Kurz vor der Türöffnung schoss sie plötzlich los und blähte sich dabei mit scheußlichem Zischen auf. Im nächsten Augenblick sauste eine hellgrüne Wolke kreuz und quer durch den Kirchenraum, ihr Widerschein flackerte wie eine fahle Flamme über Standbilder und Grabmäler. Die Gruppe duckte sich unter den schützenden Mantel, während die Pestilenz die Luft ringsum bis zur halben Wandhöhe verseuchte. Solange sie die Kuppel nicht verließen, konnte ihnen nichts passieren; trotzdem stieg ihnen fauliger Verwesungsgestank in die Nase und brachte sie zum Würgen.
    »Ich hoffe bloß«, keuchte Mr Pennyfeather, während die grüne Wolke durch das Querschiff wütete,

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