Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
»Wir sitzen hier wie auf dem Präsentierteller.«
    »Reg dich ab. Uns kann nichts passieren.«
    Ich sah mich verstohlen um. »Das sagst du. Wir hätten im Hotel bleiben sollen.«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Ich wäre durchgedreht, wenn wir noch eine Sekunde länger in dieser Flohburg gehockt hätten. Das Bett war so eingestaubt, dass ich kein Auge zugetan habe, außerdem hat sich ein ganzes Wanzenheer die liebe, lange Nacht an mir gütlich getan. Jedes Mal, wenn ich niesen musste, habe ich gehört, wie welche von mir runtergeplumpst sind.«
    »Warum hast du nicht gebadet, wenn dich der Staub so gestört hat?«
    Er sah mich verlegen an: »Mir ist die Wanne nicht ganz geheuer. Sie sieht irgendwie… so gefräßig aus. Aber egal, heutzutage ist man in Prag sicher, hier gibt es so gut wie keine Magie mehr. Seit wir hier sitzen, ist dir nicht das Geringste aufgefallen, kein Kobold, kein Dschinn, kein Zauberbann, dabei befinden wir uns mitten in der Stadt! Niemand kann dich in deiner wahren Gestalt sehen. Also reg dich ab.«
    Ich zuckte die Achseln. »Wenn du meinst… Aber wenn dann einer schreiend durch die ganze Stadt rennt, weil ihm die Soldaten mit ihren Spießen den Hosenboden aufschlitzen wollen, dann bist du das!«
    Er hörte nicht zu, sondern steckte die Nase wieder in seine Broschüre und studierte sie stirnrunzelnd. Ich meinerseits widmete mich wieder meiner eigenen Nachmittagsbeschäftigung und unterzog zum ich-weiß-nicht-wie-vielten Mal sämtliche Ebenen einer eingehenden Prüfung.
    Die Sache war die: Der Junge hatte völlig Recht. Den ganzen Tag über war uns nichts Magisches in die Quere gekommen. Was nicht heißen soll, dass die Obrigkeit sich nicht blicken ließ. Wiederholt waren Soldaten in dunkelblauen Uniformen, glänzenden Schaftstiefeln und Käppis mit blank gewienerten Schirmen über den Platz patrouilliert. 44
(Es gilt folgende Faustregel: Je aufgebrezelter die Uniformen, desto windiger die Armee. Zur Blütezeit Prags trugen die Soldaten schlichte, fast schmucklose Kleidung, inzwischen stolzierten sie zu meinem Abscheu in grässlich pompösem Putz einher: eine plusterige Epaulette hier, ein messingnes Zierknöpfchen dort. Schon von weitem hörte man das Metall wie Glöckchen an einem Katzenhalsband klingeln. Vergleichen wir diesen Firlefanz mal mit der Londoner Nachtpolizei: Deren Uniform war schlammgrau, aber vor denen musste man sich wirklich in Acht nehmen. )
(Einmal waren sie auch zu meinem Herrn an den Tisch getreten und hatten nach unseren Ausweisen gefragt, worauf der Junge seinen falschen Pass gezückt und ich sie so hypnotisch angesehen hatte, dass sie ihr Ansinnen sogleich vergaßen und weitergingen.) Von der Vielfalt magischer Einsatzkräfte, wie sie in London zum Alltag gehörten, hatten wir jedoch nichts zu sehen bekommen: Suchkugeln, als Tauben getarnte Foliot usw. … Alles wirkte vollkommen harmlos und friedlich.
    Kaum hatte ich das festgestellt, spürte ich auch schon, dass ganz in der Nähe ein mächtiges Treiben anhob, und zwar auf allen Ebenen gleichzeitig. Jede einzelne Ebene war davon betroffen, insbesondere die siebte, die im Allgemeinen für die größten Scherereien verantwortlich ist. Allerdings richtete sich die betreffende Magie nicht gegen uns. Noch nicht. Trotzdem machte es mich nervös, besonders deshalb, weil der Junge, der nun mal ein Mensch und dazu jung und arrogant war, überhaupt nichts davon mitbekam und eigensinnig darauf bestand, weiter den Touristen zu spielen. Es missfiel mir, gänzlich ungeschützt dazusitzen.
    »Wir hätten uns darauf einlassen sollen, uns mit ihm an irgendeinem entlegenen Ort zu treffen«, griff ich das Thema wieder auf. »Hier ist es viel zu öffentlich.«
    Der Junge schnaubte bloß. »Damit er Gelegenheit hat, wieder als Ghul verkleidet aufzukreuzen? Lieber nicht. Der soll gefälligst Anzug und Krawatte tragen wie jeder normale Mensch.«
    Es war schon kurz vor sechs. Der Junge zahlte und stopfte hastig Broschüren und Zeitungen in seinen Rucksack. »Dann mal auf zum Würstchenstand«, sagte er. »Du hältst dich wie gehabt im Hintergrund und kommst mir zu Hilfe, falls irgendwas nicht stimmt.«
    »Klaro, Boss. Aber du hast ja heute deine rote Feder vergessen! Wie wär’s mit einer Rose im Knopfloch oder einem niedlichen Schleifchen im Haar?«
    »Nein danke.«
    »War ja nur ’ne Frage.«
    Wir tauchten in die Menge ein und trennten uns. Ich hielt mich mehr am Rand bei den Häusern, während Nathanael auf die Mitte des

Weitere Kostenlose Bücher