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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Auskünfte zu erteilen, ergeht es Ihnen schlecht.«
    Herr Kavka gab einen unverständlichen Laut von sich, nickte und verdrehte die Augen.
    Der Junge sah mich an. »Was sollte das deiner Meinung nach heißen?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich schlage vor, wir nehmen den Knebel raus und fragen ihn.«
    »Einverstanden. Aber wenn er auch nur eine Bannsilbe von sich gibt, drehst du ihm auf der Stelle den Hals um!« Um seine Worte zu unterstreichen, zog der Junge eine grässliche Fratze, fast so, als hätte er ein Magengeschwür. Ich zog Kavka den Knebel aus dem Mund. Der Zauberer hustete und prustete, was leider genauso unverständlich war wie seine vorhergehenden Äußerungen.
    Nathanael pochte nachdrücklich auf ein Stück freie Tischplatte. »Passen Sie auf, Herr Kavka! Ich möchte, dass Sie gut zuhören, wenn ich Ihnen jetzt ein paar Fragen stelle. Ich warne Sie, mit Schweigen kommen Sie bei mir nicht durch. Zuallererst…«
    »Ich weiß, weshalb Sie hier sind!« Der Zauberer sprudelte plötzlich los wie eine geschüttelte Limoflasche. »Sie brauchen mir nichts zu erklären. Es geht natürlich um das Pergament! Worum denn sonst, schließlich habe ich mich das letzte halbe Jahr ausschließlich mit seinen Rätseln befasst!« Er klang trotzig, gequält und unendlich erschöpft. »Es hat mich richtig aufgefressen, sehen Sie nur, es hat mich meiner Jugend beraubt! Mit jedem Federstrich werde ich älter und runzliger. Das Pergament! Das muss es sein!«
    Nathanael war verdutzt. »Ein Pergament? Hmm, gut möglich. Aber erst einmal möchte ich Ihnen…«
    »Ich musste strengstes Stillschweigen geloben«, fuhr Herr Kavka unbeirrt fort. »Man hat mir mit dem Tode gedroht! Aber das kann mich nicht mehr schrecken. Ein Mal war schlimm genug. Zwei Mal… das hält ja kein Mensch aus. Da, sehen Sie, wie ich dahinschwinde…« Er hielt die zitternden, gefesselten Handgelenke gegen das Licht; sie waren nur noch Haut und Knochen, und die Haut war so dünn, dass das Licht durchschien. »Das hat er mir angetan! Davor war ich das blühende Leben!«
    »Ja… aber was…?«
    »Oh, ich weiß sehr gut, wer Sie sind«, brabbelte der Mann einfach weiter. »Ein Beauftragter der britischen Regierung. Ich habe Sie bereits erwartet, hatte aber zugegeben nicht mit jemand so Jungem und Unerfahrenem gerechnet. Wären Sie vor einem Monat gekommen, hätten Sie mich noch retten können. Jetzt nützt mir das auch nicht mehr viel.« Ein tiefer Seufzer entrang sich ihm. »Es liegt hinter Ihnen auf dem Tisch.«
    Der Junge drehte sich um, streckte die Hand aus und griff nach dem Schriftstück. Doch im selben Augenblick schrie er auf und ließ es wieder fallen. »Aua! Das ist ja geladen! Eine Falle…«
    »Stell dich nicht so blöd an, dass jeder merkt, wie jung und unerfahren du bist«, tadelte ich ihn. »Das ist mir peinlich. Bist du blind? Jeder Anfänger sieht doch, dass sich die Magie nirgendwo in Prag so ballt wie in diesem Fetzen. Kein Wunder, dass du einen gewischt bekommen hast. Nimm dein albernes Einstecktuch zum Anfassen, sieh dir das Ding richtig an und sag mir, worum es sich handelt.«
    Das war natürlich überflüssig, denn ich sah so etwas nicht zum ersten Mal. Aber es tat mir gut, den kleinen Angeber vor Angst bibbern zu sehen. Er war viel zu erschrocken, um gegen meine Anweisungen aufzubegehren. Er wickelte die Hand in sein Rüschentuch und nahm das Schriftstück ein zweites Mal mit äußerster Vorsicht vom Tisch. Es war ein großes, aus Kalbsleder gefertigtes und nach allen Regeln der Kunst gestrecktes und getrocknetes, dickes gelbliches Pergament, herrlich glatt und förmlich knisternd vor Macht. Diese Macht beruhte nicht auf dem Material, sondern auf dem, was darauf geschrieben stand. Der Schreiber hatte eine ungewöhnliche Tinte benutzt, zu gleichen Teilen rot und schwarz, 55
(Ich würde mal sagen, das sollte zum einen die Erde (schwarz) und zum anderen das Blut des Zauberers (rot) symbolisieren, das der Erde Leben einflößt. Aber das ist eine reine Vermutung, in die Geheimnisse der Golem-Magie bin ich nicht eingeweiht. )
und damit schwungvoll von rechts nach links und von unten nach oben Zeile um Zeile verschnörkelter, kalligraphischer Runen gemalt. Der Junge machte vor Staunen große Augen. Er spürte die Kunstfertigkeit, die Mühe, die auf das Werk verwendet worden war, auch wenn er die Zeichen selbst nicht lesen konnte. Vielleicht hätte er seiner Bewunderung Ausdruck verliehen, wenn ihm jemand zugehört hätte, aber der alte

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