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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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habe ich seit Prag nicht mehr gesehen.« Es klopfte mit dem Knochenfinger auf seine Maske. »Was machen wir da bloß? Mal überlegen… Aha!« Mit einem Satz war es wieder am Sarg und kramte darin herum. »Mach mal Platz, Stanley, ich muss nur eben… Dacht ich mir’s doch!« Die Hand tauchte mit dem Zeremonienschwert wieder auf. »Das hier funktioniert ganz ohne Zauberei. Eine solide Stahlklinge aus einheimischer Produktion. Kannst du das auch ablenken, Pickelgesicht? Mal sehen.« Es ließ das Schwert über dem Kopf kreisen und stakste auf Fred los.
    Der junge Mann blieb stehen, zückte sein Springmesser und ließ es aufklappen.
    Kitty war mittlerweile an der Gittertür angekommen und blieb unschlüssig vor der untersten Treppenstufe stehen. Nick und Anne waren bereits nach oben verschwunden, man hörte sie die Stufen hochhasten. Kitty blickte zu Mr Pennyfeather hinüber, dem seine eigenen Abwehrkräfte zustatten kamen. Der alte Mann kroch auf Händen und Knien auf sie zu. Ohne auf ihren Instinkt zu hören, der sie drängte, sofort kehrtzumachen und die Treppe hinaufzurennen, lief sie zu ihm, packte ihn bei den Schultern und schleppte ihn zum Ausgang.
    Nach Fred sah sie sich nicht mehr um, hörte ihn nur wütend schnauben. Dann zischte etwas durch die Luft und es gab einen dumpfen Aufprall.
    Kitty zerrte Mr Pennyfeather mit einer Kraft weiter, die sie selbst überraschte. Durch die Gittertür und die ersten paar Stufen hoch. Der Alte stand jetzt wieder auf eigenen Beinen, hielt in einer Hand den Stock und krallte sich mit der anderen an Kittys Jacke fest. Sein Atem ging fliegend, flach und rasselnd, sprechen konnte er nicht. Lampen hatten sie keine mehr, sie sahen die Hand vor Augen nicht. Kitty nahm den Stab aus Gladstones Sarg zu Hilfe und tastete damit nach der nächsten Stufe.
    Irgendwo hinter und unter ihnen ertönte ein Ruf: »Huhu? Ist da oben wer? Hör ich da die Mäuslein im Gebälk rascheln? Wie viele Mäuslein? Eins… zwei… O je, und eines hat ein Hinkebein!«
    Kitty hatte lauter Spinnweben im Gesicht, Mr Pennyfeathers Atem ging pfeifend.
    »Wollt ihr nicht lieber wieder runterkommen?«, klang es bettelnd. »Ich bin so allein. Eure Freunde wollten nicht mehr mit mir plaudern.«
    Kitty spürte Mr Pennyfeathers Atem an ihrem Ohr. »Ich… ich… muss verschnaufen.«
    »Nein. Wir müssen weiter.«
    »Ich kann nicht mehr.«
    »Wenn ihr nicht runterkommen wollt, dann… dann muss ich eben hochkommen!« Tief unter ihnen quietschte die Gittertür.
    »Los, weiter!«
    Noch eine Stufe. Und noch eine. Kitty konnte sich nicht mehr erinnern, wie viele es waren, aber sie hatte sowieso nicht mehr richtig mitgezählt. Bestimmt waren sie gleich oben. Mr Pennyfeather wurde langsamer, hemmte sie wie ein Bleiklotz.
    »Bitte!«, flehte sie flüsternd. »Ein Versuch noch!«
    Aber er war endgültig stehen geblieben. Sie spürte, wie er neben ihr in die Knie ging und nach Luft rang. Vergebens zog sie ihn am Arm, vergebens bettelte sie, er möge aufstehen.
    »Tut mir Leid, Kitty…«
    Sie gab es auf, lehnte sich an die gewölbte Wand, zog das Messer aus dem Gürtel und wartete.
    Es raschelte und klapperte. Kitty hob das Messer.
    Stille.
    Dann gab es urplötzlich ein kurzes Handgemenge, Mr Pennyfeather schrie auf und verschwand im Dunkeln. Eben war er noch da, im nächsten Augenblick war er fort und etwas Schweres polterte bum, bum, bum die Treppe hinunter.
    Kitty stand vielleicht fünf Sekunden wie versteinert da, dann raste sie die Treppe hoch, zerriss die Spinnwebschleier, stieß mehrmals gegen die Wand, rutschte auf den unebenen Stufen aus, erspähte endlich ein graues Rechteck, stolperte in das luftige, dämmrige Kirchenschiff hinaus, in dessen Fenstern sich der Schein der Straßenlaternen brach und wo die steinernen Zauberer unversöhnlich auf ihre Not herabblickten. Sie hetzte weiter durch das Querschiff, wich etlichen Steinsockeln erst im letzten Augenblick aus und rannte schließlich gegen eine Stuhlreihe. Das Poltern hallte in dem Riesenraum endlos nach. Kitty lief an einem Pfeiler, dann am nächsten vorbei, und als sie den Eingang zur Gruft ein ganzes Stück hinter sich gelassen hatte, brach sie endlich in krampfhaftes Schluchzen aus.
    Erst da fiel ihr ein, dass sie vielleicht lieber hinter sich hätte abschließen sollen.
    »Kitty«, sagte jemand leise. Kitty erschrak zu Tode. Mit gezücktem Messer wich sie zurück.
    »Kitty, ich bin’s.« Der schmale Strahl der kleinen Taschenlampe. Annes blasses Gesicht mit

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