Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
es sich nicht mit Devereaux verscherzen wollen. Ein neuer Makepeace hat allerhöchste Priorität.«
»Obwohl in Amerika Krieg ist und es im eigenen Land Unruhen gibt?«
»Trotz allem. Ich hätte heute Abend auch was Besseres zu tun, aber das muss bis zum Schlussapplaus warten. Ich hoffe bloß, es gibt viele Pausen.« Er tastete nach dem Zauberspiegel in seiner Jacketttasche, denn er wollte sich zwischen den Akten vergewissern, wie weit seine Dschinn schon waren.
Sie bogen in die Shaftesbury Avenue ein, eine lange, geschwungene Zeile von Restaurants, Bars und Theatern, von denen man die meisten im Zuge der Stadtverschönerung in herrlichstem Beton wiederaufgebaut hatte. Die neuesten, aus Japan importierten Neonbeleuchtungen buchstabierten den Namen des jeweiligen Etablissements in Rosa, Gelb, Zartviolett und Zinnoberrot, ganze Trauben niederer Zauberer und gut situierter Gewöhnlicher wälzten sich unter dem wachsamen Blick der Nachtpolizei über die Bürgersteige. Nathanael hielt nach Anzeichen für bevorstehende Krawalle Ausschau, aber die Menge machte einen friedlichen Eindruck.
Die Limousine fuhr langsamer und schwenkte in den abgesperrten Bereich unter einem goldenen Baldachin ein. Hinter der Absperrung standen Polizisten und schwarz gekleidete Zauberer vom Sicherheitsdienst, davor knieten ein paar Fotografen mit schussbereiten Kameras. Die Fassade des Theaters war in gleißendes Licht getaucht, ein schmucker roter Teppich führte von der Straße zu den weit offenen Türen.
Auf dem roten Teppich stand ein kleiner, rundlicher Herr und winkte ihnen hektisch. Kaum hatte der Fahrer gehalten, stürzte Quentin Makepeace herbei und riss den Wagenschlag auf.
»Mandrake! Na endlich! Auf den allerletzten Drücker!«
»Tut mir Leid, Quentin, in der Innenstadt war kein Durchkommen.« Seit er Zeuge des abstoßenden Experiments mit dem jungen Gewöhnlichen geworden war, empfand Nathanael eine ausgeprägte Abneigung gegen den Dichter. Der Kerl war abscheulich und musste dringend beseitigt werden. Aber alles zu seiner Zeit.
»Ich weiß, ich weiß. Steigen Sie schon aus! Ich muss in drei Minuten auf der Bühne sein! Die Saaltüren sind schon geschlossen, aber in meiner Privatloge gibt es noch Plätze. Ja, ja, für Ihre Freundin auch. Sie ist viel hübscher als Sie und ich, da können wir uns in ihrem Glanz sonnen! Kommen Sie, hopp, hopp! Noch zwei Minuten, die Zeit läuft!«
Unter sanftem Knuffen und Schubsen scheuchte Mr Makepeace Nathanael und Kitty aus dem Wagen, über den roten Teppich und hinein ins Foyer. Dort war es so hell, dass sie die Augen zusammenkneifen mussten. Nebenher galt es, Kissen und Sekttabletts anbietende Pagen abzuwehren. Die Wände waren mit Plakaten für das neue Stück gepflastert, die vorwiegend den Autor selbst zeigten, wie er lächelte, dem Betrachter neckisch zuzwinkerte oder gedankenumwölkt dreinschaute. Vor einer schmalen Treppe blieb Mr Makepeace stehen.
»Hier geht’s zu meiner Privatloge! Bin gleich wieder bei Ihnen. Drücken Sie mir die Daumen!« Und fort war er, ein kleiner Wirbelwind mit gegeltem Haar, blitzenden Zähnen und lebhaften, strahlenden Augen.
Nathanael und Kitty gingen die Treppe hoch und standen vor einem geschlossenen Vorhang. Den schlugen sie zurück und traten in das kleine, mit Seidenstoff ausgeschlagene Gelass. An der niedrigen Brüstung standen drei verschnörkelte Sessel, man blickte auf die hinter einem schweren Vorhang halb verborgene Bühne herab, den Orchester-graben und den Zuschauerraum, der, von oben betrachtet, einem wogenden Meer aus Köpfen glich. Das Licht war gedämpft, das Publikum raunte wie der Wind im Blätterwald, aus den Tiefen des Orchestergrabens kamen schräge Klänge.
Kitty nahm auf dem ganz rechten Sessel Platz, Nathanael daneben. Er lehnte sich zu ihr hinüber und raunte ihr ins Ohr: »Sie dürfen sich geehrt fühlen, Miss Jones, Sie sind bestimmt die einzige Gewöhnliche im ganzen Saal. Sehen Sie die Loge gegenüber? Wo sich der Mann wie ein ungeduldiger Schuljunge übers Geländer beugt? Das ist unser Premierminister. Daneben sitzt Mr Mortensen, unser geschätzter Kriegsminister, und der Dicke da ist Collins vom Innenministerium. Der mürrische Typ in der Loge darunter ist Sholto Pinn, der bekannte Geschäftsmann, die Frau links neben ihm, die wie eine Katze gähnt, ist Whitwell von der Sicherheit, und Miss Farrar von der Polizei sitzt in der Nachbarloge…«
Er unterbrach sich, denn als hätte sie seinen Blick gespürt, schaute ihn
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