Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
Dank, und wenn du jetzt netterweise noch das Beil rausziehst, bin ich auch schon weg.«
Der Mann mit dem Durchschnittsgesicht befreite mich keineswegs von dem Beil, sondern beugte sich vor und verkündete: »Ich habe nicht gesagt, dass ich dich verschone, Bartimäus, nur dass ich dich nicht fresse. Puh! Wenn ich deine Substanz nur sehe, kriege ich Bauchweh. Aber ich lasse dich auch nicht einfach laufen. Noch diese Nacht sollst du eines furchtbaren Todes sterben…«
»Na toll.«
»…und zwar so langsam und qualvoll, wie ich es nur bewerkstelligen kann.«
»Hör mal, mach dir meinetwegen keine Umstände.«
»Aber vorher möchte ich dir noch etwas mitteilen.« Hopkins’ grinsendes Gesicht kam noch näher. »Nämlich dass du Unrecht hattest.«
Ich bilde mir nicht wenig auf meine rasche Auffassungsgabe und meinen scharfen Verstand ein, aber da kam ich nicht ganz mit. »Hä?«
»Tausendmal habe ich dir prophezeit, dass wir Dschinn eines Tages frei sein werden, Dschinn wie du und ich. Warum bekämpfen wir einander? Weil unsere verfluchten Herren uns dazu aufhetzen. Warum gehorchen wir ihnen? Weil uns nichts anderes übrig bleibt. Tausendmal habe ich dir schon erläutert, dass sich dieses System ändern muss, tausendmal hast du mir widersprochen, ich sei auf dem Holzweg.«
»So habe ich es nicht ausgedrückt. Ich habe gesagt, du bist ein unterbelichteter Voll…«
»Du hast immer gesagt, wir kämen nie aus dieser zweifachen Zwickmühle heraus, Bartimäus, nämlich der, keinen freien Willen zu haben und Schmerzen leiden zu müssen. Auch diesmal sehe ich Widerspruch in deinen argwöhnischen Äuglein! Aber du irrst dich. Sieh mich an! Was siehst du?«
Ich überlegte. »Einen mordlustigen Irren in Menschengestalt? Ein abstoßendes Zwitterwesen, das die miesesten Eigenschaften von Menschen und Dschinn in sich vereint? Oder, jetzt bringst du mich aber wirklich in Verlegenheit, vielleicht einen ehemaligen Feind, der mich erstaunlich kameradschaftlich und mitfühlend betrachtet?«
»Nein, Bartimäus, weder noch. Ich will es dir verraten. Du siehst einen Dschinn, der keine Schmerzen leidet. Du siehst einen Dschinn, der aus freiem Willen handelt. Es ist nur natürlich, dass du es nicht gleich begreifst, denn ein solches Wunder gab es seit fünftausend Jahren nicht!« Er streckte eine ausgesprochen menschliche Hand aus und zauste mir sanft das Kopfgefieder. »Kannst du dir das vorstellen, du armes, gepeinigtes Geschöpf? Keine Schmerzen! Keine Schmerzen, Bartimäus! Ach«, seufzte er, »du ahnst nicht, wie klar ich die Dinge auf einmal sehe.«
Keine Schmerzen… Benommen und erschöpft, wie ich war, sah ich plötzlich ein Bild vor mir: Gladstones Gerippe, wie es umherhüpfte und -stolzierte. »Ich bin mal einem Afriten begegnet, der von sich etwas Ähnliches behauptet hat. Aber seine Substanz war in ein Menschengerippe gebannt und er wurde verrückt. Irgendwann ist er freiwillig in den Tod gegangen, weil er so nicht weiterleben wollte.«
Faquarl verzog Hopkins’ Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Du meinst Honorius? Ja, von dem habe ich gehört. Der arme Kerl war für uns von großer Bedeutung! Meine Substanz ist genauso gut geschützt wie seine, und genau wie er habe ich einen freien Willen, aber merk dir eins, Bartimäus: Ich werde nicht verrückt!«
»Aber es hat dich jemand beschworen, damit du überhaupt in diese Welt gelangen konntest«, bohrte ich weiter. »Damit hast du doch schon einem fremden Befehl gehorcht.«
»Hopkins hat mich beschworen, ich habe seinem Befehl Folge geleistet und jetzt bin ich frei.« Zum ersten Mal glaubte ich, den Dschinn wiederzuerkennen, als nämlich Hopkins’ Augen triumphierend aufleuchteten. »Du erinnerst dich bestimmt, Bartimäus, dass ich mich bei unserer letzten Begegnung optimistisch über den Leichtsinn gewisser Londoner Zauberer geäußert und prophezeit habe, dass uns diese Leute eines Tages die ersehnte Gelegenheit verschaffen würden.«
»Ja, das weiß ich noch. Damals hast du Lovelace gemeint.«
»Stimmt, aber nicht nur ihn. Inzwischen hat sich meine Hoffnung erfüllt – es ist so weit. Lovelace hat nur den Anfang gemacht, indem er sich mit seinem Putschversuch übernommen hat. Er ist dabei umgekommen und ich…«
»Du warst frei!«, rief ich dazwischen. »Allerdings! Und das hast du mir zu verdanken! Dafür bist du mir noch was schuldig.«
»…ich wurde aufgrund einer bindenden Posthum-Klausel der Beschwörungsformel in ein Behältnis auf dem Meeresgrund
Weitere Kostenlose Bücher