Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers

Titel: Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
Vielleicht hat er gehofft, du würdest aus dem Bannkreis fliehen. Dann hätte ihn nichts mehr hindern können, dich zu verschlingen. Denk dran, er hatte schon zwei alberne Versuche unternommen, dich zu überreden, dein Pentagramm zu verlassen. Tja, es war offenbar kein besonders raffinierter Dschinn. Vielleicht war er ja auch der Knechtschaft müde und suchte freiwillig den Tod.« Der alte Zauberer betrachtete nachdenklich die Teeblätter am Boden seiner Tasse. »Leider wissen wir immer noch viel zu wenig über Dämonen, ihren Charakter und ihr Verhalten. Sie geben uns nach wie vor Rätsel auf. Ist noch was in der Kanne?«
    Kitty sah nach. »Nö. Ich mach noch eine.«
    »Das wäre ganz reizend, Lizzie. Ach, und wenn du rausgehst, könntest du mir den Band Trismegistos dort rüberreichen. Soweit ich mich erinnere, enthält er ein paar interessante Anmerkungen über Sukkuben.«
    Im Flur zur Küche war es eiskalt. Erst als Kitty vor der bläulichen Gasflamme, die unter dem Kessel fauchte, am Herd lehnte, war es aus mit ihrer Selbstbeherrschung. Ein krampfartiges Beben schüttelte sie so heftig, dass sie sich an der Arbeitsplatte festhalten musste.
    Sie schloss die Augen. Sah den Dämon mit aufgesperrtem Rachen auf sich zukommen. Sie riss die Augen wieder auf.
    Neben der Spüle stand eine Papiertüte mit Obst. Mechanisch nahm sie sich einen Apfel und schlang ihn wie eine Verhungernde mit großen, unzerkauten Bissen hinunter. Dann nahm sie sich noch einen, aß ihn etwas langsamer und starrte dabei mit leerem Blick an die Wand.
    Das Zittern ließ nach. Der Kessel pfiff. Jakob hat Recht gehabt, dachte sie und spülte ihren Becher unter dem eisigen Wasserstrahl aus. Ich bin bescheuert. Nur eine Verrückte kommt auf so eine Idee. Nur eine Verrückte.
    Aber auch eine Verrückte kann Glück haben. Ihr war das Glück nun schon volle drei Jahre gewogen.
    Seit dem Tag, an dem sie offiziell für tot erklärt worden war und die Behörden ihre Akte mit schwarzem Siegelwachs verschlossen hatten, hatte Kitty London nicht mehr verlassen. Ganz gleich, wie inständig ihr Jugendfreund Jakob Hyrnek, der wohlbehalten bei Verwandten in Brügge lebte und dort als Juwelier arbeitete, sie in seinen wöchentlichen Briefen bat, zu ihm zu kommen und bei ihm zu wohnen, ganz gleich, ob seine Familie sie bei ihren gelegentlichen geheimen Zusammenkünften drängte, der Stadt und ihren Gefahren den Rücken zu kehren und woanders von vorn anzufangen, ganz gleich, ob ihr gesunder Menschenverstand ihr immer wieder sagte, dass sie allein nichts ausrichten konnte – Kitty ließ sich nicht beirren. Sie blieb in London.
    Doch so eigensinnig sie auch immer noch war, ihre einstige Verwegenheit war einer gewissen Vorsicht gewichen. Ihr Äußeres und überhaupt ihr Lebensstil waren darauf ausgerichtet, auf keinen Fall ins Visier der Behörden zu geraten. Das war lebenswichtig, denn die bloße Tatsache, dass sie, Kitty Jones, noch lebte, war ein Straftatbestand. Damit die paar Leute, mit denen sie früher zu tun gehabt hatte, sie nicht erkannten, hatte sie sich das dunkle Haar abgeschnitten und trug unterwegs immer eine Mütze. Sie gab Acht, dass man ihr nicht ansah, was sie dachte, ganz gleich, wie aufgewühlt sie innerlich war. Sie fuhr am besten, wenn sie mit stumpfem Blick und ausdruckslosem Gesicht namenlos in der dumpfen Masse mitschwamm.
    Sie mochte von der vielen Arbeit und der schmalen Kost ein bisschen hager geworden sein, sie mochte um die Augen ein paar Fältchen bekommen haben, aber sie war immer noch genauso zielstrebig wie damals, als sie sich dem Widerstand angeschlossen hatte. Auch nachdem sie die Bewegung wieder verlassen hatte, half ihr diese Zielstrebigkeit bei der Verwirklichung eines ganz bestimmten ehrgeizigen Vorhabens und dabei, gleich zwei falsche Identitäten aufrechtzuerhalten.
    Sie wohnte im dritten Stock eines heruntergekommenen Mietshauses in Westlondon, in einer Straße unweit der Munitionsfabriken. Über und unter ihrem möblierten Zimmer gab es noch andere Räume, die der geschäftstüchtige Hausbesitzer dem alten Gemäuer mittels Zwischenwänden abgerungen hatte. Alle waren vermietet, aber außer mit dem Hausmeister, einem kleinen Mann, der im Souterrain wohnte, hatte Kitty noch mit keinem anderen Mieter ein Wort gewechselt. Manchmal begegnete sie welchen auf der Treppe, Männer und Frauen, alt und jung, alle lebten zurückgezogen und anonym. Kitty war das nur recht, sie wollte und brauchte die Einsamkeit, die ihr das Haus

Weitere Kostenlose Bücher