Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
Dämon scharrte prüfend mit dem Fußüber den Boden, kratzte mit seinen fünf verhornten Krallen breite Rillen in den Fliesenboden und gab dabei ein eigentümliches Summen von sich. Er versuchte einzuschätzen, wie stark sie war und ob er über sie herfallen sollte. In ihrer Angst prägten sich ihr lauter belanglose Einzelheiten seiner Erscheinung ein: die grauen Fellbüschel an den Gelenken, die metallisch glitzernden Schuppen am Oberkörper, die Hände mit den zu vielen Fingern und zu wenigen Knochen. Sie selbst zitterte am ganzen Leib, und ihre Hände zuckten unruhig, wie um sie zum Weglaufen aufzufordern, aber sie bezwang ihre Furcht und blieb, wo sie war.
Dann erkundigte sich eine schmeichelnde Frauenstimme: »Ja, willst du denn nicht weglaufen, Kleine? Ich kann doch nur auf meinen Klumpfüßen humpeln. O weh, bin ich langsam! Versuch’s doch. Wer weiß, vielleicht kannst du mir ja entwischen.« Es klang so freundlich, dass Kitty nicht gleich begriff, dass die Stimme aus dem scheußlichen Maul kam. Es war der Dämon, der da sprach. Benommen schüttelte sie den Kopf.
Der Dämon krümmte sechs Finger. »Dann komm wenigstens näher«, lockte er, »damit ich nicht auf meinen armen Klumpfüßen zu dir rüberhinken muss. O weh! Die grausame Erde peinigt meine Substanz.«
Kitty schüttelte wieder den Kopf, aber schon weniger energisch. Der Dämon seufzte und ließ die Schultern hängen, als wäre er schwer enttäuscht. »Du bist aber ein unartiges Mädchen. Ob ich von deiner Substanz wohl Magengrimmen bekäme? Meine Verdauung bringt mich noch mal um.« Der Dämon hob mit blitzenden Augen den Kopf und klapperte wieder mit den Zähnen. »Ich riskier’s einfach.« Er beugte die Knie, riss das Maul weit auf, machte einen Satz und griff nach Kitty. Sie taumelte schreiend zurück.
Ein Zaun aus silbrigen Splittern, dünn wie Degenklingen, kam aus dem Boden geschossen und durchbohrte den Dämon mitten im Sprung. Ein Blitz, ein Funkenregen – er zerstob in violette Flammen. Einen Augenblick noch verharrte er zuckend in der Luft und stieß eine Rauchwolke aus, dann trudelte er zu Boden wie ein brennendes Blatt Papier. »O weh!«, hörte man ein Stimmchen klagen, dann zerfiel das Ganze zu Asche.
Kitty war so starr vor Schreck, dass sie nur mit Mühe den Mund schließen und ein paarmal blinzeln konnte. Dann fuhr sie sich mit zitternder Hand durchs Haar.
»Herrschaftszeiten«, sagte ihr Meister im Pentagramm gegenüber. »Damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. Aber diese Geschöpfe sind dumm wie Bohnenstroh. Wisch die Bescherung auf, liebe Lizzie, und dann wollen wir die Übung besprechen. Du kannst stolz auf dich sein.«
Stumm und mit stierem Blick rang sich Kitty ein schwaches Nicken ab. Sie trat steifbeinig aus dem Bannkreis und ging den Besen holen.
»Also, du bist ein kluges Mädchen und hast alles richtig gemacht.« Kittys Meister saß in seinem Sessel am Fenster und führte eine Porzellantasse zum Mund. »Und dein Tee ist auch ausgezeichnet, was an einem Tag wie diesem ein wahrer Segen ist.« Regen prasselte ans Fenster und trieb böig die Straße entlang, im Hausflur heulte der Wind. Kitty schlug die Füße unter, denn in Bodennähe zog es, und trank einen großen Schluck Tee aus ihrem Becher.
Der alte Mann wischte sich mit dem Handrücken den Mund. »Wirklich, eine ausgesprochen gelungene Beschwörung. Gar nicht übel. Und was ich am spannendsten fand: Wer hätte gedacht, dass so die wahre Gestalt eines Sukkubus aussieht? Meine Güte! Hast du auch gemerkt, Lizzie, dass du dich ganz am Ende der Bändigungsformel versprochen hast? Nicht nur dass das Vieh den Schutzzaun durchbrochen hat, dein Versprecher hat es sogar ermutigt, einen Vorstoß zu unternehmen. Zum Glück hast du sonst keine Fehler gemacht.«
Kitty zitterte immer noch. Sie ließ sich in die Polster des uralten Sofas sinken. »Und wenn ich… mich noch woanders versprochen hätte, Sir«, fragte sie stockend, »was wäre…?«
»Lieber Himmel! Darüber würde ich mir an deiner Stelle keine Gedanken machen. Du hast dich nicht noch öfter versprochen, darauf kommt es an. Nimm dir einen Vollkornkeks.« Er zeigte auf den Teller, der zwischen ihnen stand. »Ich finde, die renken den Magen immer prima wieder ein.«
Kitty nahm sich einen Keks und tunkte ihn in den Tee. »Aber wieso ist er über mich hergefallen? Er muss doch gewusst haben, dass er damit die Sicherheitsvorkehrung auslöst.«
Ihr Meister kicherte in sich hinein. »Wer weiß?
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