Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
ein bisschen derangiert und ganz außer Atem.
»Vielen Dank, meine Liebe. Ob du mir noch meinen Stab reichst? Ich wollte damit ein Buch herausziehen, aber das hätte ich lieber bleiben lassen sollen.«
Kitty zerrte einen langen Eschenholzstab aus dem Bücherhaufen und reichte ihn dem Zauberer. Der war ein zierliches Männlein mit wachen Augen, schmalem Gesicht und zerzaustem, in die Stirn fallendem grauen Schopf. Er trug ein kariertes Hemd ohne Schlips, eine grüne Strickjacke mit Flicken an den Ellbogen und eine abgetragene, fleckige graue Hose. Das eine Hosenbein war unter dem Rumpf umgeschlagen und zugenäht.
Etwas an seiner Erscheinung irritierte Kitty. Erst nach einer ganzen Weile kam sie darauf, dass sie noch nie einem so nachlässig gekleideten Zauberer begegnet war.
»Ich wollte mir nur einen Band Gibbon herausziehen«, fuhr Mr Button fort, »ganz unten aus dem Stapel hier. Ich habe nicht aufgepasst und bin ausgerutscht. Es war die reinste Lawine! Du ahnst nicht, wie viel Mühe es macht, in diesem Haus irgendetwas zu finden.«
Kitty blickte sich um. Zahllose Bücherstapel wuchsen wie Stalagmiten aus dem zerschlissenen Teppich. Manche reichten ihr bis zur Schulter, andere lehnten sich schief aneinander und bildeten wacklige, staubbepuderte Torbögen.
Auch der Tisch lag voller Bücher und Bücher quollen aus den Kommodenschubladen. Eine wahre Bücherflut hatte durch die offene Tür schon das halbe Nebenzimmer erobert. Schmale Pfade führten von den Fenstern zu den beiden Sofas, die sich am Kamin drängten, und hinaus in die Diele.
»Ich kann es mir ungefähr vorstellen«, sagte Kitty, »und was ich Ihnen bringe, macht es auch nicht besser.« Sie hob das Päckchen vom Boden auf. »Von Mr Hyrnek.«
Der Alte bekam leuchtende Augen. »Schön! Sehr schön! Das muss meine Ausgabe von Ptolemäus’›Apokryphen‹ sein, in neues Kalbsleder gebunden. Karel Hyrnek hat begnadete Hände. Du hast mir den Tag doppelt verschönt, meine Liebe! Du musst unbedingt auf einen Tee bleiben.«
Nach einer halben Stunde hatte Kitty dreierlei erfahren: dass der alte Herr geschwätzig und leutselig war, dass er über einen üppigen Vorrat an Tee und Gewürzkuchen verfügte und dass er dringend eine Hilfskraft brauchte.
»Der letzte junge Mann hat mich vor vierzehn Tagen verlassen«, sagte er aufseufzend. »Wollte lieber fürs Vaterland in den Krieg ziehen. Ich habe noch versucht, es ihm auszureden, aber er war nicht davon abzubringen. Er hat die Versprechungen für bare Münze genommen: Ruhm, eine glänzende Karriere, Beförderungen, die ganze Palette. Wahrscheinlich ist er bald tot. Aber natürlich, nimm dir ruhig das letzte Stück Kuchen, meine Liebe, du hast es nötig. Für ihn mag es ja angehen, einfach loszuziehen und in der Schlacht zu fallen, aber was wird aus mir? Ich kann meine Studien nicht mehr vernünftig fortführen.«
»Was für Studien denn, Sir?«
»Recherchen über die Geschichte der Zauberei und dergleichen, meine Liebe. Ein spannendes und sträflich vernachlässigtes Gebiet. Es schreit zum Himmel, dass man so viele Büchereien geschlossen hat. Da hat es unsere Regierung mal wieder mit der Angst zu tun bekommen. Zum Glück konnte ich eine beträchtliche Anzahl wichtiger Werke zu diesem Thema beiseite schaffen und die möchte ich erfassen und katalogisieren. Ich will ein definitives Verzeichnis sämtlicher noch verfügbarer Dschinn erstellen, denn die aktuellen Listen sind dermaßen unzuverlässig und widersprüchlich, aber wie man sieht, bin ich aufgrund meiner Behinderung nicht mal in der Lage, meinen eigenen Bestand zu bewältigen.« Er drohte seinem Beinstumpf mit der Faust.
»Äh, wie ist das denn passiert, Sir?«, wagte sich Kitty vor. »Wenn ich fragen darf.«
»Das mit meinem Bein?« Der alte Herr zog die Brauen zusammen, sah sich um und beugte sich verschwörerisch vor. »Das war ein Marid«, flüsterte er bedeutungsvoll.
»Ein Marid? Aber sind das nicht die mäch…?«
»Die mächtigsten aller üblicherweise beschworenen Dämonen, ganz recht.« Mr Buttons Lächeln war eine Spur selbstgefällig. »Ich bin schließlich kein Anfänger, meine Liebe. Was allerdings keiner meiner ›Kollegen‹«, er spie das Wort verächtlich aus, »zugeben würde, diese Heuchler! Ich würde zu gern sehen, wie sich Rupert Devereaux und Carl Mortensen bei so etwas anstellen würden.« Er rümpfte die Nase und lehnte sich wieder zurück. »Die Ironie dabei war, dass ich dem Dämon lediglich ein paar Fragen stellen
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