Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
leicht verständliche allgemeine Abhandlungen aus und nahm sie mit in ihre Wohnung. Ihre nächtliche Lektüre warf neue Fragen an Mr Button auf, der sie auf weiterführende Werke verwies. So erwarb sich Kitty, vom Zufall und ihren eigenen Neigungen geleitet, erste Kenntnisse.
Nach dem ersten auf diese Weise verbrachten Jahr durfte Kitty für den Zauberer auch Besorgungen erledigen. Mit Vollmachten ausgestattet, besuchte sie Bibliotheken überall in der Hauptstadt und tätigte gelegentlich Einkäufe bei Kräuterhändlern und Lieferanten von Zaubereiutensilien. Mr Button beschäftigte keine Kobolde und befasste sich selten mit der Praxis. Sein Interesse galt alten Kulturen und der Entwicklungsgeschichte der Dämonenbeschwörung. Hin und wieder zitierte er eine harmlose Wesenheit herbei, um sie zu einem speziellen historischen Problem zu befragen.
»Das ist gar nicht so einfach, wenn man nur ein Bein hat«, erklärte er Kitty. »Schon mit zwei Beinen ist eine Beschwörung heikel genug, aber wenn man versucht, einen ordentlichen Kreis zu ziehen, und der Stab rutscht einem weg und die Kreide fällt andauernd runter, ist es höllisch gefährlich. In letzter Zeit war es mir meistens zu riskant.«
»Ich könnte Ihnen behilflich sein, Sir«, schlug Kitty vor. »Sie müssten mich natürlich vorher kurz einweisen.«
»O nein, ausgeschlossen. Viel zu gefährlich für uns beide.«
In diesem Punkt ließ sich Mr Button schwer erweichen. Kitty musste ihn monatelang bearbeiten, bis er irgendwann einwilligte. Damit sie endlich Ruhe gab, erlaubte er ihr schließlich, die Räuchergefäße zu befüllen, den Stab zu halten, wenn er die Kreise zog, und die Schweinetalgkerzen anzuzünden. Wenn der Dämon erschien und befragt wurde, stand Kitty hinter Mr Buttons Stuhl und schrubbte anschließend die Brandflecken weg. Ihre Nervenstärke machte Eindruck auf den Zauberer und bald assistierte sie ihm tatkräftig bei allen Beschwörungen. Wie üblich lernte Kitty rasch. Sie prägte sich ein paar simple lateinische Formeln ein, auch wenn sie die Sprache nach wie vor nicht beherrschte. Mr Button, den körperliche Betätigung anstrengte und der obendrein zur Trägheit neigte, übertrug seiner Hilfskraft immer mehr Aufgaben. Auf seine beiläufige Art füllte er immer wieder ein paar ihrer Wissenslücken, weigerte sich aber weiterhin, sie regulär zu unterrichten.
»Die eigentliche Kunst«, pflegte er zu sagen, »ist im Grunde kinderleicht, aber es gibt unendlich viele Abwandlungen. Halten wir uns also an das kleine Einmaleins: Wir beschwören ein Geschöpf, bändigen es und entlassen es wieder. Ich habe weder Zeit noch Lust, dir sämtliche Feinheiten beizubringen.«
»Schon in Ordnung, Sir«, entgegnete Kitty. Sie hatte ihrerseits weder Zeit noch Lust, sich sämtliche Feinheiten der Beschwörungskunst beibringen zu lassen. Die gröbsten praktischen Grundkenntnisse genügten ihr völlig.
Der Krieg zog sich hin. Mr Buttons Bücher waren säuberlich sortiert, katalogisiert und nach Verfassernamen gestapelt. Er konnte nicht mehr auf seine Hilfskraft verzichten. Unterdessen leitete er Kitty bei der Beschwörung von Foliot und sogar von niederen Dschinn an, saß daneben im Sessel und beaufsichtigte sie. Eine ausgesprochen befriedigende Arbeitsteilung.
Kitty war derselben Meinung – von gelegentlichen Angstanfällen abgesehen.
Als das Wasser endlich kochte, goss Kitty den Tee auf und ging damit zu dem Zauberer zurück, der immer noch mit seiner Lektüre auf dem Sofa thronte. Mr Button brummelte einen Dank, als sie die Kanne abstellte.
»Trismegistos schreibt hier, dass Sukkuben bei der Beschwörung zum Übermut neigen und deshalb oft zur Selbstzerstörung genötigt sind. Man besänftigt sie, indem man Zitrusfrüchte in die Räuchergefäße legt und leise auf der Panflöte spielt. Hm, offensichtlich handelt es sich um besonders empfindsame Geschöpfe.« Er kratzte sich geistesabwesend den Beinstumpf. »Übrigens habe ich noch etwas anderes entdeckt, Lizzie. Wie hieß doch gleich der Dämon, nach dem du dich gestern erkundigt hast?«
»Bartimäus, Sir.«
»Richtig. Den führt Trismegistos in seinem Register uralter Dschinn auf, irgendwo im Anhang.«
»Ach ja, Sir? Ist ja toll. Vielen Dank.«
»Dort findest du auch eine Kurzfassung seiner Beschwörungsgeschichte, aber das interessiert dich wahrscheinlich weniger.«
»Da haben Sie Recht.« Kitty streckte die Hand aus. »Darf ich mal einen Blick drauf werfen?«
Teil
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