Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
dass es sich bei allen fünfen um Foliot handelte. Unter normalen Umständen hätte ich ihre Federn über die ganze Stadt verteilt, aber in meinem Zustand war ich noch nicht mal einem einzelnen gewachsen. Meine Substanz drohte zu zerreißen.
Ich wehrte mich verzweifelt, krümmte und wand mich, spie mein Gift nach links und rechts. Die Empörung verlieh mir ein wenig Kraft und ich verwandelte mich noch eine Nummer kleiner in einen glitschigen Aal, entglitt ihrem Griff und fiel auf die rettende Wasserfläche nieder.
Ein Schnabel stieß zu.
Zack! Alles wurde schwarz.
Jetzt wurde es erst richtig peinlich. Nachdem ich selbst erst vorhin einen Kobold verputzt hatte, hatte jetzt jemand mich verputzt. Fremde Substanz umschwärmte mich und begann, meine eigene Substanz zu zersetzen. 7
(In solchen Fällen darf man nicht lange fackeln, sonst absorbiert einen der andere. Eine schwächere Wesenheit hat keine Chance, wenn jemand Stärkeres sie verschluckt, und das hier war für mich schon verflixt brenzlig)
Ich raffte mich auf und feuerte eine Detonation ab.
Ja, es war laut und eine Riesensauerei, aber es hatte die gewünschte Wirkung. Es regnete Foliotfetzchen und auch ich regnete als kleine schwarze Perle auf den Teich herab.
Die Perle plumpste ins Wasser. Sofort waren die vier übrigen Reiher zur Stelle und pickten fieberhaft nach mir.
Ich ließ mich tief ins Trübe sinken, außerhalb ihrer Reichweite, dorthin, wo mich Schlamm, Schlick und vermodertes Schilf auf jeglicher Ebene verbargen.
Mir war schwindlig, beinahe hätte ich das Bewusstsein verloren. Nein, wenn ich jetzt schlappmachte, würde man mich finden. Ich musste irgendwie hier wegkommen und zu meinem Herrn zurückkehren. Ich musste mich ein letztes Mal zusammenreißen und fliehen.
Riesenbeine staksten durch den Schlick, Dolchschnäbel fuhren wie Pistolenkugeln ins modderige Nass. Das dumpfe Echo wüster Flüche hallte zwischen den Schilfrohren wider. Eine kleine, verletzte Kaulquappe schlängelte sich in Richtung Ufer und hinterließ abgestorbene Substanzpartikel in ihrem Kielwasser. Kaum an Land, brach die Kaulquappe sämtliche Alterungsrekorde und wurde zum hässlichen Frosch mit schiefem Maul und einem Klumpfuß. Der Frosch hopste unbeholfen über die Wiese.
Ich hatte den Hauptweg schon fast erreicht, als mich die Foliot entdeckten. Offenbar war einer über dem See gekreist und hatte meine humpelnde Flucht erspäht. Mit heiserem Geschrei flatterten die anderen auf und kamen auf mich zugesegelt.
Einer setzte zum Sturzflug an. Der Frosch machte einen verzweifelten Satz. Der Reiherschnabel bohrte sich in die Erde.
Hinaus auf den Weg, zwischen die Besucher. Der Frosch hüpfte hierhin und dorthin, zwischen Beine, unter Zeltplanen, sprang von Köpfen auf Schultern, aus Körben in Kinderwagen, quakte und quarrte und glotzte mit irren Glubschaugen umher. Männer brüllten, Frauen kreischten, Kinder staunten mit offenen Mündern. Hinterdrein flogen mit rauschendem Gefieder die Reiher, vor Mordlust wie von Sinnen.
Sie bahnten sich ihren Weg durch die Buden, kippten mit den Flügeln Weinfässer um und schlugen jaulende Hunde in die Flucht. Die Leute wurden umgestoßen wie Kegel, die »Wahren Kriegsgeschichten« flogen gleich packenweise durch die Luft, landeten in Weinlachen und auf dem Würstchengrill.
Die flüchtige Amphibie hüpfte auf die Freiluftbühne ins helle Kobold-licht, worauf ein Schauspieler einem anderen auf den Arm sprang und ein dritter sich per Kopfsprung ins Publikum stürzte. Der Frosch rettete sich vor den Reihern in eine Bodenluke, tauchte in der benachbarten Luke wieder auf und hüpfte einem Papptroll auf den Kopf. Von dort sprang er auf das Spruchband über der Bühne und heftete sich mit den Schwimmfüßen daran fest. Ein Reiher hackte von unten nach ihm und durchtrennte dabei das Spruchband. Der Stoffstreifen schwang wie eine Liane durch die Luft und katapultierte den Frosch über den Hauptweg hinweg vor den Glaskäfig mit dem gefangenen Dämon.
Unterdessen wusste ich kaum noch, wo ich war und was ich tat. Meine Substanz baute immer mehr ab, ich konnte kaum noch sehen, hörte alle Geräusche nur noch verzerrt. Blindlings und Haken schlagend hopste ich weiter.
Der nächste Angriff ließ nicht lange auf sich warten. Einer meiner Verfolger hatte genug von der wilden Jagd. Er hatte wohl einen Schüttelkrampf entfesselt, jedenfalls wich ich aus und sah nicht, wie der Bann den Glaskäfig traf, hörte nicht, wie die Scheibe zersprang. Ich
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