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Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers

Titel: Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Ausweispapiere für ihre andere falsche Identität, Clara Bell, hatte sie eingesteckt.
    Der Himmel verfinsterte sich, obwohl immer noch ein paar Wolken vom Widerschein der Stadt schmutzig gelb schimmerten. Ganz unten am Fuß der Ufermauer floss die zum Rinnsal geschrumpfte Themse. Kitty kam an einer grauen Schlammbank vorbei, wo zwischen Steinen und Treibgut Reiher umherstolzierten. Die Luft war kalt, ein kräftiger Wind wehte in Richtung Meer.
    An einer Flussbiegung knickte die Promenade plötzlich um 90 Grad ab, weil ein wuchtiges Gebäude mit steilem Dach und spitzen Gauben im Weg stand. Breites schwarzes Fachwerk gliederte die Mauern, aus Fenstern in unterschiedlicher Höhe fiel helles Licht auf die Straße und das dunkle Wasser. Das oberste Stockwerk kragte ringsum vor, mal kühn, mal durchhängend, als könnte es jederzeit abstürzen. Über dem Gehsteig schaukelte an einer Stange ein verwittertes grünes Schild, dessen Schrift nicht mehr zu entziffern war, was aber nicht weiter schlimm war, denn der »Frosch« war stadtbekannt. Er war berühmt für sein Bier, seinen Braten und das allwöchentliche Dominoturnier. Der »Frosch« war Kittys abendlicher Arbeitsplatz.
    Sie duckte sich unter einem niedrigen Torbogen durch und ging durch die stockfinstere Gasse in den Hof. Dabei warf sie einen Blick nach oben. Ein rötliches Licht schwebte über dem Giebel. Wenn man direkt hinsah, verschwamm es, aber wenn man es aus dem Augenwinkel betrachtete, erkannte man den Umriss einer netten kleinen Wachkugel.
    Kitty ignorierte den Spitzel, ging quer über den Hof zur Vordertür, die ein verwittertes Vordach vor Wind und Wetter schützte, und trat ein.
    Im Schankraum war es so hell, dass sie blinzeln musste. Die Vorhänge waren zugezogen, im Kamin prasselte ein Feuer. Der Widerschein flackerte auf den Gläsern, die auf dem Tresen aufgereiht waren. George Fox, der Wirt, war eben dabei, sie systematisch blank zu reiben. Er nickte Kitty zu, als sie an ihm vorbeiging und ihre Tasche an die Garderobe hängte.
    »Bist spät dran, Clara.«
    Kitty sah auf die Armbanduhr. »Es geht erst in zwanzig Minuten los, George.«
    »Halt dich lieber ran, ist noch viel zu tun.«
    Kitty warf ihre Mütze über einen Haken. »Mach ich.« Sie wies mit dem Kinn auf die Tür. »Wie lange ist die schon da draußen?«
    »Paar Stunden. Das Übliche. Soll uns wohl einschüchtern. Kann aber nichts hören und stört nicht weiter.«
    »Ach so. Wirf mir mal ’n Lappen rüber.«
    Nach einer Viertelstunde flotten, geübten Wischens sah der Schankraum picobello aus. Sämtliche Gläser waren poliert, alle Tischdecken tipptopp. Kitty hatte zehn Krüge auf den Tresen über dem Zapfhahn gestellt und der Schankkellner Sam füllte sie mit goldbraunem, schäumendem Fassbier. Kitty verteilte die letzten Dominokästen, wischte sich die Hände an der Hose ab, nahm eine Schürze vom Haken und ging an ihren Platz hinter dem Tresen. George Fox schloss die Vordertür auf und ließ die ersten Gäste herein.
    Der Ruf des »Froschs« sorgte gewöhnlich für eine ständig wechselnde Kundschaft, und auch an diesem Abend fielen Kitty einige Leute auf, die sie noch nie gesehen hatte: ein militärisch wirkender Herr, eine freundliche alte Dame, die sich schlurfend einen Stuhl suchte, ein blonder, vollbärtiger junger Mann. Das vertraute Klicken der Dominosteine setzte ein, es herrschte eine fröhliche, gesellige Stimmung. Kitty strich sich die Schürze glatt, eilte zwischen den Tischen umher und nahm Essensbestellungen auf.
    Eine Stunde verging. Die Spieler hatten die Teller mit den Resten der dick mit warmem Rinderbraten belegten Sandwichs weggeschoben. Nach dem Essen hatte ihre Begeisterung für das Spiel schlagartig nachgelassen. Die Steine blieben für den Fall einer Razzia auf den Tischen ausgelegt, aber die Spieler saßen jetzt aufrecht und hellwach auf ihren Stühlen. Kitty füllte die letzten Gläser nach und ging wieder hinter den Tresen, als drüben am Kamin ein Mann aufstand.
    Er war gebrechlich und vom Alter gebeugt. Es wurde still.
    »Liebe Freunde«, fing er an, »seit letzter Woche ist nicht viel Erwähnenswertes passiert, deshalb fasse ich mich kurz. Wie immer möchte ich unserem Wirt, Mr Fox, für seine Gastfreundschaft danken. Vielleicht berichtet Mary erst einmal über die Lage in Amerika?«
    Er setzte sich wieder hin. Am Nebentisch erhob sich eine magere, erschöpft wirkende Frau. Kitty schätzte sie auf nicht mal vierzig, obwohl sie schon angegrautes Haar hatte.

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