Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
wird ein rapider körperlicher Verfall nach einer »beschwerlichen Reise« erwähnt, was anderen Quellen widerspricht, laut denen er Alexandria nie verlassen hat. Zum Zeitpunkt der Bestattung seines Onkels und der Thronbesteigung seines Vetters (116 v. Chr.) wird sein Tod ausdrücklich erwähnt, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass er das zwanzigste Lebensjahr vollendete.
Seine Schriften lagerten über 300 Jahre lang in der Bibliothek von Alexandria und wurden von Tertullian und anderen römischen Zauberern studiert, Auszüge wurden in Rom als das berühmte »Vermächtnis des Ptolemäus« veröffentlicht. Das Originalmanuskript fiel dem großen Erdbeben und der Feuersbrunst im dritten Jahrhundert zum Opfer, die erhaltenen Fragmente fasste man unter dem Titel »Apokryphen« zusammen. Ptolemäus ist von historischem Interesse, da ihm die Entwicklung diverser Beschwörungstechniken zugeschrieben wird, wie der Gleichmütige Schnitt und der Maulerschild (beide wurden noch zur Zeit Löws angewandt), aber auch rein hypothetische Methoden wie die »Ptolemäische Pforte«, dies alles trotz seiner Jugend. Hätte Ptolemäus das Erwachsenenalter erreicht, hätte er zweifelsohne Bedeutendes geleistet. Seine Dämonen, zu denen er eine ungewöhnlich enge Beziehung gepflegt haben soll, waren u.a. Affa†, Rekhyt oder Necho‡, Methys†, Penrenutet†.
† Ableben nachgewiesen
‡ Schicksal unbekannt
Als Kitty mit der Kanne zurückkam, lächelte Mr Button sie zerstreut an.
»Hast du etwas Brauchbares gefunden?«
»Ich weiß nicht recht, Sir, aber ich hätte eine Frage. Kommt es manchmal vor, dass ein Dämon die Gestalt seines Herrn annimmt?«
Der Zauberer ließ den Kugelschreiber sinken. »Um seinen Herrn zu ärgern oder zu verwirren, meinst du? Gewiss doch! Das ist ein uralter Trick, einer der ältesten überhaupt, und bringt unerfahrene Jungzauberer fast immer aus dem Konzept. Nichts ist verstörender, als einem Trugbild der eigenen Person gegenüberzustehen, besonders dann, wenn der Dämon es absichtlich karikiert. Ich glaube, es war Rosenbauer aus München, den die entlarvende Nachahmung seines gezierten Betragens derart erschütterte, dass er in Tränen ausbrach, sein Pomadedöschen hinschmiss und aus seinem Pentagramm stürmte – was fatale Folgen hatte. Ich selbst musste einmal zusehen, wie mein eigener Leichnam unter ekligen Geräuschen allmählich verweste, während ich einen Dämon nach den Grundsätzen der kretischen Architektur befragte. Ich darf mir zugute halten, dass ich aus meiner Mitschrift hinterher noch klug wurde. Hast du so etwas gemeint?«
»Also… eigentlich… nein, Sir.« Kitty holte tief Luft. »Ich wollte wissen, ob schon einmal ein Dschinn aus… Hochachtung… oder sogar aus Zuneigung die Gestalt seines Herrn angenommen hat. Weil er sich darin wohl fühlte.« Laut ausgesprochen kam es ihr selbst albern vor.
Der Alte rümpfte die Nase. »Ich glaube kaum.«
»Ich meine, nach dem Tod des Zauberers.«
»Aber liebe Lizzie! Höchstens wenn der Betreffende ungewöhnlich hässlich oder entstellt war. Dann mag ein Dämon seine Gestalt annehmen, um jemanden zu erschrecken. Ich glaube, Zarbustibal von Jemen ist nach seinem Ableben noch etliche Male wieder aufgetaucht. Aber aus Hochachtung? Undenkbar! Damit gehst du von einem Verhältnis zwischen Herrn und Diener aus, für das es keinerlei Beispiele gibt. Nur eine Gewöhnl…, entschuldige, nur jemand so Unerfahrenes wie du kann auf eine derart abwegige Idee kommen! Also nein, also nein!« Er hatte sich immer noch nicht wieder beruhigt, als er die Hand nach dem Teetablett ausstreckte.
Kitty war schon in der Tür. »Vielen Dank, Sir, Sie haben mir sehr geholfen. Apropos«, setzte sie hinzu, »was ist eigentlich die ›Ptolemäische Pforte‹?«
Der alte Zauberer auf seinem papierübersäten Sofa ächzte gequält: »Was das ist? Eine windige Spekulation! Ein Mythos, ein Märchen, ein Produkt überbordender Fantasie! Heb dir deine Fragen für sinnvollere Themen auf. Jetzt muss ich aber weitermachen. Ich kann mich wirklich nicht mit den albernen Hirngespinsten irgendwelcher Anfänger befassen. Hinaus mit dir! Die Ptolemäische Pforte, also wirklich…« Er machte ein verdrossenes Gesicht und wedelte unwirsch mit der Hand.
»Aber…«
»Musst du nicht längst bei der Arbeit sein, Lizzie?«
Vierzig Minuten später stieg Kitty an der Uferpromenade aus dem Bus. Sie trug einen dicken schwarzen Dufflecoat und kaute nachdenklich ein Sandwich. Die
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