Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
eingegangen. Jetzt aber, da ihm ohnehin alles gleichgültig war, gab er seinen Widerstand auf.
Ein Diener ließ ihn in das stille Haus ein. In der Diele kam Mandrake an rosafarbenen Kristalllüstern und einem überlebensgroßen Ölgemälde vorbei, worauf der Hausherr im Satinmorgenmantel an einem Stapel selbst verfasster Werke lehnte. Mandrake würdigte das Porträt keines Blickes (er fand den Morgenmantel seit jeher entschieden zu kurz) und ging die Treppe hinunter. Seine Sohlen versanken in der flauschigen Auslegeware. An den Wänden hingen gerahmte Theaterplakate aus aller Welt. GROSSE GALA! WELTPREMIERE! MR MAKEPEACE PRÄSENTIERT!, brüllte es stumm und marktschreierisch.
Unten führte eine metallbeschlagene Tür zum Arbeitszimmer des Schriftstellers.
Kaum hatte Mandrake geklopft, wurde die Tür auch schon aufgerissen. Ein pausbäckiges Gesicht strahlte ihn an. »John, mein lieber Junge! Wunderbar! Ich freue mich ja so! Machen Sie die Tür hinter sich zu. Der Tee ist auch schon fertig, mit frischer Pfefferminze. Sie sehen aus, als könnten Sie eine Stärkung vertragen.«
Mr Makepeace hielt keine Minute still, bewegte sich flink, zielstrebig und tänzerisch. Seine eher kleine Gestalt drehte und wendete sich, goss Tee ein, streute Pfefferminzblätter darauf und war überhaupt munter wie ein Vögelchen. Sein Gesicht glühte vor Eifer, sein Haar leuchtete rot, und immer wieder huschte ein Lächeln über sein Gesicht, als amüsierte ihn etwas im Stillen.
Wie gewöhnlich entsprach seine Kleidung seinem lebhaften Naturell: hellbraune Schuhe, erbsengrün und kastanienbraun karierte Hose, leuchtend gelbe Weste, pinkfarbenes Halstuch, weites Leinenhemd mit Rüschenmanschetten. Heute jedoch hatte er die Hemdsärmel bis über die Ellbogen aufgerollt und trug eine fleckige weiße Schürze über Halstuch und Weste. Offenbar war er schwer beschäftigt.
Mit einem zierlichen Löffelchen rührte er den Tee um, klopfte das Löffelchen ab und reichte Mandrake das Glas. »Bitte schön!«, rief er. »Trinken Sie! Und jetzt, John«, er lächelte freundlich, geradezu fürsorglich, »erzählen Sie mal. Mir ist zu Ohren gekommen, dass bei Ihnen nicht alles zum Besten steht.«
Mandrake schilderte kurz und bündig, was sich in den letzten Stunden zugetragen hatte. Der kleine Mann nickte und gab mitfühlende Laute von sich. »Eine Schande!«, rief er dann. »Sie haben bloß Ihre Pflicht getan! Aber Farrar und die anderen Hohlköpfe warten schon lange drauf, Sie in der Luft zu zerreißen. Wissen Sie, was mit denen los ist, John?« Er machte eine Kunstpause. »Sie sind neidisch. Wir beide sind von neidischen Nulpen umgeben, die uns unseren Erfolg missgönnen. Das kenne ich aus dem Theater zur Genüge, da haben die Kritiker auch nichts Besseres zu tun, als an meinen Werken herumzumäkeln.«
»Na, die werden Sie ja morgen wieder in ihre Schranken verweisen«, brummte Mandrake, »bei der Premiere.«
»Allerdings, lieber John, allerdings. Aber Sie wissen ja, Erfolg macht einsam. Ihnen geht es bestimmt ähnlich, oder? Es kommt einem vor, als wäre man ganz allein auf weiter Flur. Ich bin jedenfalls Ihr Freund, John, ich halte auch zu Ihnen, wenn alle anderen Sie im Stich lassen.«
»Danke, Quentin, aber ich weiß gar nicht, ob es so schlimm…«
»Sie haben nämlich etwas, was die nicht haben, und zwar was? Weitblick. Das habe ich von Anfang an gemerkt. Sie sind hellsichtig und ehrgeizig, das spürt man ganz deutlich.«
Mandrake betrachtete verlegen seinen Tee, der ihm nicht schmeckte. »Na ja, ich weiß nicht.«
»Ich möchte Ihnen etwas zeigen, John, ein kleines magisches Experiment. Ich wüsste gern, was Sie davon halten. Mal sehen, ob Sie auch… ach, kommen Sie einfach mit. Frisch ans Werk! Würden Sie bitte den eisernen Koboldstecher neben Ihrem Sessel mitbringen? Danke. Ja, das Teeglas können Sie ruhig auch mitnehmen.«
Mr Makepeace ging mit eiligen Schrittchen voran, bis sie zu einem gewölbten Durchgang kamen, Mandrake trabte ein wenig verwirrt hinterher. Ein magisches Experiment? Bis jetzt hatte er Makepeace nur die allereinfachsten Zauber wirken sehen und seine Fähigkeiten als Beschwörer recht bescheiden eingeschätzt. Mit dieser Meinung war er nicht allein. Was hatte Makepeace dann…?
Mandrake bog um die Ecke und blieb stehen. Fast hätte er das Teeglas fallen lassen. Seine Augen wurden groß und größer, der Mund stand ihm offen.
»Na, was sagen Sie jetzt, mein Junge, was sagen Sie jetzt?« Mr Makepeace rieb sich
Weitere Kostenlose Bücher