Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
Verschmelzung ausgesprochen gut geklappt.«
Mandrake rieb sich das Kinn. Der Anblick des sich windenden Gefangenen machte ihn beklommen und beeinträchtigte seine professionelle Neugier. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte.
Mr Makepeace kümmerte das nicht. »Wie gesagt, die Vorteile sind enorm. Ist Ihnen aufgefallen, dass ich das Pentagramm ungehindert betreten konnte? Der Dämon konnte mich nicht daran hindern, weil er anderweitig festsitzt! Aber der Grund, weshalb ich unbedingt wollte, dass Sie Zeuge des Geschehens werden, John, ist der, dass ich Ihnen vertraue, wie Sie hoffentlich auch mir vertrauen. Und wenn…«
»Bitte!« Von dem Mann auf dem Stuhl kam ein flehentlicher Ausruf.
»Ich halte das nicht aus! Aah… da flüstert’s wieder! Es macht mich ganz irre!«
Mandrake zuckte zusammen. »Er leidet. Sie müssen den Dämon wieder entlassen.«
»Später, später. Vielleicht hat er nicht genug Willenskraft, um ihn zu bändigen.«
Der Gefangene wand sich. »Ich erzähl Ihnen alles, was ich weiß! Über die Gewöhnlichen, über unsere Pläne! Ich verrate Ihnen…«
Makepeace verzog das Gesicht. »Pst! Du kannst uns nichts erzählen, was unsere Spitzel nicht längst herausgefunden haben. Und schrei nicht so. Ich habe Kopfweh.«
»Nein! Ich kann Ihnen was über die ›Allianz der Gewöhnlichen‹ erzählen! Über die Rädelsführer!«
»Die kennen wir schon, ihre Namen, Ehefrauen, Familien. Das sind bloß Ameisen, die wir zu gegebener Zeit zertreten. Jetzt sei still! Ich habe Wichtigeres zu besprechen.«
»Aber eins wissen Sie noch nicht! Dass eine aus der alten Widerstandsbewegung noch am Leben ist! Die ist in London untergetaucht! Ist mir erst vor ein paar Stunden übern Weg gelaufen! Ich kann Sie hinbringen, wo sie…«
»Das ist doch alles Schnee von gestern.« Mr Makepeace nahm Mandrake den Eisenstecher ab und wog ihn spielerisch in der Hand. »Ich bin ein geduldiger Mensch, Mr Drew, aber Sie gehen mir allmählich auf die Nerven. Wenn Sie nicht sofort…«
»Einen Augenblick.« John Mandrakes Stimme klang ganz verändert. Der Bühnenautor verstummte. »Von welcher Widerstandskämpferin sprechen Sie? Von einem Mädchen?«
»Ja! Ja, von einem Mädchen! Sie heißt Kitty Jones, aber jetzt heißt sie anders. Lass doch das Geflüster!« Er bäumte sich stöhnend auf.
Eine halb verschüttete Erinnerung schoss Mandrake durch den Kopf. Einen Moment lang war ihm so schwindlig, als müsste er gleich umkippen. Sein Mund war wie ausgetrocknet. »Kitty Jones? Du lügst.«
»Nein! Ich schwör’s! Binden Sie mich los, dann bring ich Sie hin.«
»Sind diese Fragen wirklich von Belang?«, fuhr Mr Makepeace gereizt dazwischen. »Die Widerstandsbewegung ist längst zerschlagen. Konzentrieren Sie sich bitte auf das, was ich sage, John. Es ist äußerst wichtig, besonders in Ihrer gegenwärtigen Lage. John? John?«
Mandrake hörte überhaupt nicht hin. Er sah Bartimäus als dunkelhäutigen Jungen vor sich, vor ein paar Jahren, auf einem gepflasterten Hinterhof, hörte ihn sagen: »Der Golem hat sie gepackt und zermalmt.« Kitty Jones war tot, hatte der Dschinn verkündet, und Mandrake hatte ihm geglaubt. Aber jetzt sah er vor sich, wie der dunkelhäutige Junge dabei anzüglich grinste.
Mandrake beugte sich vor. »Wo hast du sie gesehen? Sag’s mir und ich binde dich los.«
»In ’ner Kneipe, im ›Frosch‹ in Chiswick! Da nennt sie sich Clara Bell und arbeitet als Kellnerin. Bitte binden…«
»Quentin, seien Sie so gut und entlassen Sie den Dämon und binden den Mann los. Ich muss gehen.«
Der Bühnenautor war auf einmal ganz ruhig und in sich gekehrt. »Gewiss doch, John, wenn Sie es so eilig haben. Aber muss es wirklich sofort sein? Ich rate Ihnen dringend abzuwarten, was ich mit Ihnen besprechen will. Lassen Sie das Mädchen, es gibt Wichtigeres. Ich möchte mit Ihnen über mein Experiment…«
»Ein andermal, Quentin, ein andermal.« Der leichenblasse Mandrake stand schon im Durchgang.
»Wo wollen Sie denn hin? Doch nicht wieder ins Büro?«
»Wohl kaum«, erwiderte Mandrake grimmig. »Ich muss dringend selbst eine Beschwörung durchführen.«
Bartimäus
14
Wie ich vielleicht bei Gelegenheit schon erwähnt habe, gibt es so etwas wie »Zeit« am Anderen Ort nicht, trotzdem merkt man deutlich, wenn man viel zu früh wieder wegmuss. So auch diesmal: Kaum hatte mich der nährende Sog aufgenommen, spürte ich eine Beschwörung an mir zerren, flutschte ich aus dem Strudel wie der Dotter aus einem
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