Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
schmunzelnd die Hände.
Eine ganze Weile brachte Mandrake keinen Ton heraus, ließ nur den Blick durch den Raum schweifen. Früher mochte hier der Privatschrein des Autors gewesen sein, denn an den Wänden hingen noch Urkunden, Zeitungsartikel, Fotos und dergleichen. Eine nackte Glühbirne verströmte trübes Licht. Der Raum war mit zwei sorgfältig gezogenen Pentagrammen ausgestattet. Das erste, der Runenkreis für den Zauberer, war normal groß, der andere wesentlich größer – und besetzt.
Im Beschwörungspentagramm war mit vier dicken Schrauben ein klobiger Metallstuhl am Boden befestigt. Die aus massivem Eisen zusammengeschweißte Sitzgelegenheit glänzte stumpf im Zwielicht. Darauf saß, mit Leinengurten an Hand-und Fußgelenken festgebunden, ein Mann.
»Jetzt sind Sie baff, was?« Mr Makepeace war ganz aus dem Häuschen. Er führte ein richtiges Freudentänzchen auf.
Der Gefangene blickte ihnen mit angstvoll aufgerissenen Augen entgegen. Ein dicker Knebel verdeckte seinen Mund und zum Teil auch den Vollbart, sein blondes Haar war zerzaust. Auf einer Wange glänzte ein kleiner Bluterguss. Er war wie ein Gewöhnlicher gekleidet, sein Hemdkragen war halb abgerissen.
»Wer… wer ist das?«, fragte Mandrake mit belegter Stimme.
»Dieses Prachtexemplar?«, kicherte Mr Makepeace, trippelte zu dem kleineren Pentagramm hinüber und zündete die Kerzen an. »Sie haben doch bestimmt gehört, dass die Stahlwerker in Battersea Ärger machen. Sie sind ›in den Streik getreten‹, lungern vor der Fabrik herum und lassen sich’s gut gehen. Gestern Abend haben meine Spitzel diesen Kerl hier beobachtet, wie er von einem Lastwagen herunter zu den Protestlern gesprochen hat. Ist ein echtes Talent, der Bursche. Hat der Menge eine flammende Rede gehalten, sie müssten endlich aufbegehren, der Augenblick sei nicht mehr fern, da die Zauberer ihren Hut nehmen müssten. Hat auch ordentlich Applaus bekommen, der Gute. Aber trotz seiner wohlklingenden Worte wollte er nicht wie die Arbeiter den ganzen Abend in der Kälte rumstehen und hat sich irgendwann auf den Heimweg gemacht. Meine Jungs sind ihm gefolgt und haben ihm eins übergebraten, als gerade keiner hingesehen hat. Dann haben sie ihn hergebracht. Jetzt bräuchte ich mal den Koboldstecher. Ach nein, nehmen Sie ihn lieber, ich habe schon genug mit der Beschwörung zu tun.«
Mandrake schwirrte der Kopf. »Was für eine Beschwörung? Was…?« Jetzt war er nicht mehr erstaunt, sondern voll böser Ahnungen. »Würden Sie mir bitte verraten, was Sie eigentlich vorhaben, Quentin?«
»Ich weiß was Besseres, ich führe es Ihnen einfach vor.« Inzwischen hatte Mr Makepeace alle Kerzen angezündet, Runen und Räuchergefäße überprüft und war vor den Stuhl des Gefangenen getrippelt. Vorsichtig machte er sich an dessen Knebel zu schaffen. »Eigentlich mag ich so etwas nicht, aber ich musste ihn irgendwie ruhig stellen. Der Bursche wurde ziemlich hysterisch. Und jetzt«, sein Lächeln erlosch, »beantwortest du gefälligst meine Fragen oder… du weißt, was dir sonst blüht.« Er zog den Knebel heraus und das Blut kehrte in die weißen Lippen des Gefesselten zurück. »Wie heißt du?«
Der Gefangene rang hustend nach Luft. »Nick… Nicholas Drew, Sir.«
»Beruf?«
»Fa-Fabrikarbeiter.«
»Du bist also ein Gewöhnlicher?«
»Ja.«
»Und nach Feierabend engagierst du dich politisch.«
»J-ja, Sir.«
»Sehr schön. Was ist ein Schrumpffeuer und wann wendet man es an?«
Die Frage kam wie aus der Pistole geschossen, der Gefangene fuhr zusammen und blickte den Fragenden verständnislos an. »K-keine Ahnung.«
»Na los, mach schon. Antworte! Sonst kommt mein Freund mit dem Stecher!«
Mandrake verzog wütend das Gesicht. »Makepeace! Lassen Sie den Un…«
»Augenblickchen, mein Junge.« Der Zauberer beugte sich weit vor. »Du lügst sogar noch, wenn man dir Schmerzen androht?«
»Ich lüg nicht, ich schwör’s! Von so ’nem Feuer hab ich noch nie gehört! Bitte…«
Ein breites Grinsen. »Gut. Das reicht.« Ein flinker Handgriff beförderte den Knebel wieder an Ort und Stelle und Makepeace tänzelte zum benachbarten Pentagramm hinüber. »Konnten Sie alles verstehen, John?«
Mandrake war ganz blass vor Entsetzen und Abscheu. »Was soll die Vorführung, Makepeace? Wir können nicht einfach irgendwen aufgreifen und foltern!«
»Foltern?«, schnaubte der Bühnenautor verächtlich. »Dem Burschen geht’s prima. Bis jetzt haben wir ihn mit Samthandschuhen angefasst.
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