Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
erwartet, aber ich konnte ihm ja wohl kaum erzählen, dass Kitty noch lebte. Sie mochte reichlich abwegige Ideen haben, aber sie hatte mich immerhin anständig behandelt. Die Löwin schaute belämmert drein. 3 (
Das Bild ist ein bisschen schief, aber du verstehst mich schon.
)»Woher weißt du denn, dass mich überhaupt wer beschworen hat?«
»Ich weiß es eben! Leugnen ist zwecklos! Ich habe es gestern Nacht versucht und du warst nicht da. Wer war es? Bei welchem Zauberer bist du gewesen?«
»Reg dich ab. Es war nichts Ernstes. Alles ganz harmlos.«
»Harmlos?« Er fuchtelte wieder mit der Lanze herum, bis er sie versehentlich in die Dielenbretter bohrte. »Das soll ich dir glauben?«
»Spiel dich nicht auf wie ein eifersüchtiger Ehemann. Du übertreibst.«
»Wer war es? Mann oder Frau?«
»Hör mal, ich weiß, was du jetzt denkst, aber du irrst dich. Reicht das nicht?«, versuchte ich, ihn zu besänftigen.
»Nein! Erwartest du wirklich, dass ich dir noch ein Wort glaube?«
So viel zum Thema Besänftigung. Der Löwin platzte der Kragen. 4
(Auch schief. tschuldigung.)
»Dann eben nicht. Verzieh dich. Es geht dich nichts an. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.«
Der Junge war so stinkig, dass er fast platzte. Das kam natürlich davon, dass er Angst hatte, Angst, dass ich seinen Namen ausposaunt haben könnte.
»Hör mal, Jungchen. Ich rede mit meinen Herren nie über ihre Vorgänger, es sei denn, ich verspreche mir was davon, deshalb kannst du die Hoffnung gleich aufgeben, dass ich dir was über gestern Nacht erzähle. Da wir gerade beim Thema sind, ich habe auch noch niemandem deinen kostbaren Geburtsnamen verraten. Wozu auch? Was hätte ich davon? Wenn du wirklich solchen Bammel hast, dass ich deine Geheimnisse ausplaudere, hätte ich einen Tipp für dich. Entlasse mich ein für alle Mal! Aber dazu kannst du dich auch wieder nicht durchringen, stimmt’s? Ich glaube ja, du willst deine Vergangenheit gar nicht loslassen. Deshalb lässt du mich andauernd antanzen, egal wie mies es mir geht. Auf diese Weise kannst du sowohl an dem Nathanael festhalten, der du mal warst, als auch an dem großen, bösen John Mandrake, der du jetzt bist.«
Der Zauberer ging nicht darauf ein, sondern stierte mich einfach nur an. Ich konnte es ihm nicht verdenken, ich staunte selbst. Keine Ahnung, woher ich auf einmal diese brillante Schlussfolgerung nahm. Zugleich hatte ich das Gefühl, dass er damit leicht überfordert war. Er sah gar nicht gut aus.
Wir befanden uns in seinem Arbeitszimmer. Es musste später Nachmittag sein. Überall lagen Akten herum, auf dem Schreibtisch stand ein halb abgegessener Teller. Ein säuerlicher Mief hing in der Luft, was darauf hindeutete, dass sich der jugendliche Bewohner des Zimmers länger nicht gewaschen hatte. Der fragliche Jugendliche war nicht mehr der geschniegelte Lackaffe, als den ich ihn kannte. Sein Gesicht war aufgedunsen, die Augen rot gerändert, der Blick flackernd, das (Besorgnis erregend schlampig geknöpfte) Hemd hing ihm aus der Hose. Alles ausgesprochen untypisch. Normalerweise glänzte Mandrake durch äußerste Selbstbeherrschung. Aus irgendeinem Grund war er total von der Rolle.
Ja, der arme Kerl war gefühlsmäßig unausgeglichen und brauchte dringend ein bisschen Trost.
»Du siehst furchtbar aus«, höhnte ich. »Fix und fertig. Was ist denn los? Haben dich dein Selbsthass und deine Schuldgefühle endlich eingeholt? Es kann doch nicht nur daran liegen, dass mich jemand anders beschworen hat.«
Der Junge erwiderte den blitzenden Blick der Löwin. »Nein…«, sagte er gedehnt. »Mir macht noch etwas anderes zu schaffen. Und du bist an allem schuld.«
»Ich?« Und da schwelgte ich in Selbstmitleid! Der alte Dschinn war offenbar doch noch zu etwas nütze. Ich wurde gleich munterer. »Wie das denn?«
»Also…« Er stellte die Lanze mit der Spitze auf den Boden und verfehlte seinen großen Zeh um Haaresbreite. »Hier eine kurze Zusammenfassung: Erstens, in den letzten vierundzwanzig Stunden ist es in London zu schweren Ausschreitungen gekommen. Die Gewöhnlichen haben beträchtlichen Schaden angerichtet. Es gab Straßenschlachten und etliche Verletzte, die Unruhen in den Straßen halten an. Devereaux hat heute Vormittag den Notstand ausgerufen. Whitehall ist von Soldaten umstellt. Die Regierung ist kaum noch Herr der Lage.«
»Klingt nach einem unerfreulichen Arbeitstag«, entgegnete ich. »Und was hat das alles mit mir zu tun?«
Er hüstelte. »Ein gewisser
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