Bassus (German Edition)
und vorsichtig rückwärts den Gang zwischen den Boxen hinunter. Die Tiere folgten ihm fast lautlos. Noch ein paar Schritte, und er würde mit dem Rücken an die Tür stoßen. Doch was war das? Er erstarrte. Kräftige Hände hatten sich auf seine Schultern gelegt.
Jemand riss die Stalltür auf und kam mit einer Fackel in der Hand herein.
Die Hände auf seinen Schultern lösten sich, und er stand Gudullus und Severus gegenüber. Einen Moment überlegte er, ob er seine Kampfkünste einsetzen sollte, und spannte sich an.
„Lass das“, herrschte Severus ihn an, „wir müssen reden.“
Im Arbeitszimmer ließ Gudullus ihn mit Severus allein. Der schenkte Wein in zwei Gläser und reichte Tony eine Papyrusrolle. Eine Abschrift seines Briefes an Trajanus. Das war es also, was die beiden Reiter in der vergangenen Nacht gebracht hatten.
„Ich hatte gehofft, dass er nicht so schnell gefunden wird.“
„Tja, falsch gedacht.“
Es ärgerte Tony, dass Severus jetzt all diese persönlichen Dinge über ihn wusste. Hätte er diesen verdammten Brief nur nie geschrieben! Und außerdem, warum musste Trajanus einen derart privaten Brief gleich kopieren lassen und in der Gegend herumschicken? Das würde er ihm nie verzeihen. Tony wurde immer wütender.
„Wenn ich nicht nach Bassus suchen darf, werde ich mich töten.“
Severus seufzte. „Das wird nicht nötig sein, obwohl ich das prinzipiell für keine schlechte Idee halte.“
„Dann lass mich ziehen. Alle sind der Meinung, dass ich eine solche Reise sowieso nicht überleben würde. Es wäre also jedem geholfen.“
„Sicher. Die Sache hat nur einen Haken.“
„Und der wäre?“
„Auch ich glaube nicht, dass Bassus tot ist. Und Caesar Trajanus und die Ala Noricorum glauben es auch nicht.“
Tony war sprachlos. Dann fasste er sich. „Aber sie haben ihn doch für tot erklärt.“
„Das mussten sie unter den Umständen. Trotzdem ließen sie heimlich weiter nach ihm suchen.“
Tony schluckte. „Gibt es denn ein Lebenszeichen?“
Severus lehnte sich zurück. „Schwer zu sagen.“ Schweigend sah er Tony eine Weile an, bevor er fortfuhr: „Ich werde morgen zusammen mit Ildiger nach Germania Libera aufbrechen. Wir werden uns als Vertreter einer Töpferei ausgeben.“
„Ihr wollt euch umhören?“
„So ist es.“
„Ihr müsst mich mitnehmen.“
„Ich kann niemanden gebrauchen, der meine Autorität untergräbt.“
„Ich … Ich verspreche …“
Severus hob die Augenbrauen.
Tonys Herz raste.
Severus nahm einen Schluck Wein und sah ihn an. „Warum hast du uns eigentlich nie deine Geschichte erzählt?“, fragte er.
„Ich konnte nicht.“
„Hast du sie Bassus erzählt?“
„Nein.“
Für einen Moment trat Stille ein.
„Hast du das Medaillon noch?“
Tony zog es über seinen Kopf und reichte es ihm.
Severus betrachtete es nachdenklich. „Bassus war sehr beeindruckt nach seiner Begegnung. Der Druide hatte ihm prophezeit, dass das Medaillon einst den tiefsten Wunsch seiner Seele erfüllen würde.“
Das war es also.
„Und was war das für ein Wunsch?“
„Kinder. Eine Familie, mit der er ein Leben außerhalb der Armee führen konnte.“
Tony war überrascht.
„Bis er entlassen worden wäre, hätte er aber lange warten müssen.“
„Nicht nur das. Irgendwann wusste er, dass er überhaupt keine Kinder zeugen konnte.“
„Das heißt, die Prophezeiung des Druiden war Unsinn.“
Wieder griff Severus nach seinem Weinglas. „Nicht unbedingt. Nicht, wenn man die Sache nicht so eng sieht.“
Tony wandte sich den Fliesen auf dem Fußboden zu.
Auf einmal brach es aus ihm heraus: „Warum ist er weiter auf diese gefährlichen Kundschaftermissionen gegangen? Warum hat er die Armee nicht verlassen, nachdem er mich adoptiert hatte? Er hatte seine 25 Jahre doch schon längst hinter sich?“
„Das hat er ja versucht. Aber Imperator Trajanus hat es nicht erlaubt.“
„Er hat es versucht?“
„Oh ja. Er hatte darum gebeten, in den Ruhestand versetzt zu werden. Er wollte dir ein Zuhause geben und sich seinen Schriften widmen. Aber Caesar Trajanus befahl, dass er noch so lange im Dienst bleiben muss, bis Audica gefasst ist.“
„Warum hat mir das niemand gesagt?“
„Niemand konnte wissen, dass du ihn so vermissen würdest. Und erst recht nicht, dass du bereit sein würdest, dein Leben für ihn zu riskieren.“
Tony schwieg beschämt.
„Du hast doch erst dann begriffen, dass er nicht wie dein leiblicher Vater ist, als du ihn verloren
Weitere Kostenlose Bücher