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Bassus (German Edition)

Bassus (German Edition)

Titel: Bassus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Eisenmann
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ohne bevormundet zu werden.
    „Du meinst, die Leute könnten versuchen, mich zu töten?“
    „Nein! Das auf keinen Fall. Du bist jung und gesund. Sie würden dich versklaven.“
     
    Immerhin hatte Tony begriffen, dass er eine verdammt gute Geschichte brauchte, die er den Menschen auf der anderen Seite erzählen konnte. Sie musste plausibel klingen. Am besten, er blieb nah an der Wahrheit und schmückte sie ein bisschen aus. Er könnte zum Beispiel erzählen, dass er nach seinem germanischen Vater suchte, der ihn und seine Mutter im römischen Germanien sitzen gelassen und sich nach Germania Libera verdrückt hatte.
    Je näher der Abend kam und damit das gemeinsame Abendessen, desto nervöser wurde er. Einige Male hatte er nach Aurelius gesehen, aber ansonsten den Tag mit Vorbereitungen zu seiner zweiten Flucht vom Gut verbracht. Auch diesmal würde er den Weg durch den Bach nehmen. Und wie er über den Rhein kommen würde, wusste er jetzt ebenfalls. Sobald er das Gut hinter sich gelassen hatte, würde er schnurstracks zu einem der privaten Fährleute reiten und den höheren Nachttarif bezahlen.
    Um Flavia hatte er einen Bogen gemacht. Die seltsamen Zustände, die sie in ihm auslöste, konnte er jetzt nicht gebrauchen. Beim Abendessen ließ sich der Kontakt mit ihr jedoch leider nicht mehr vermeiden. Sie setzte sich nämlich neben ihn.
    „Wie fühlst du dich, jetzt, wo du wieder bei uns bist?“, fragte sie. Dabei sah sie ihn so interessiert an, dass er ihr beinahe alles gestanden hätte.
    „Ihr seid eine sehr nette Familie“, antwortete er.
    „Danke. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Wie fühlst du dich?“
    Er konnte ihr doch nicht sagen: „Beschissen, weil ich euch alle an der Nase herumführe.“ Verzweifelt suchte er nach passenden Worten. Und auf einmal war es ganz ruhig. Alle starrten ihn an.
    „Man muss sich bei euch einfach wohlfühlen. Aber wirklich gut ginge es mir nur, wenn Bassus da wäre.“
    Das Schweigen hielt an, und es kam ihm so vor, als hätte er für einen Moment so etwas wie Wohlwollen in Severus’ Augen gesehen. Aber das konnte nicht sein. Er hatte sich garantiert getäuscht.
    Marcia lehnte sich vor und legte ihre Hand auf seinen Unterarm. „Wir vermissen ihn auch sehr.“
    „Ich möchte noch von dem marinierten Hühnchen“, sagte Severus plötzlich laut.
    Für ihn war das Thema Bassus offensichtlich erledigt. Gut so. Jetzt hatte Tony viel weniger Skrupel, ihn noch einmal zu hintergehen. Nur gegenüber Marcia und Flavia hatte er weiterhin ein schlechtes Gewissen.
    „Ich würde alles tun, um Bassus zu finden“, murmelte er so leise, dass nur die beiden es hören konnten.
    Etwas Warmes und Feuchtes war an seinem Hals. Tony wollte es wegwischen. Doch er erstarrte. Flavia hatte ihn geküsst! Verwirrt konzentrierte er sich auf den Eintopf in seiner Tonschüssel. Fleisch, Rüben und Zwiebeln schienen jetzt im Winter die Hauptbestandteile zu sein. Erst nach einer Weile wagte er es, verstohlen zu Flavia hinzusehen. Die steckte sich gerade ein Stück Käse in den Mund und schien seinen Blick nicht zu bemerken. Sie wirkte heiter und gelassen. Hatte er geträumt?
    Wann löste Severus endlich die Tafel auf, damit er verschwinden konnte?
    Doch der hatte andere Pläne. Er befahl den Sklaven, eine kleine Götterstatue zu bringen, und stellte sie in der Mitte des Tisches auf. Tony stöhnte innerlich. Fast jeder Tag war irgendeiner verflixten Gottheit gewidmet. Er sah sich die Statue genauer an. Es war die Abbildung eines Legionärs. Der Kriegsgott Mars?
    Alle standen jetzt auf und neigten die Köpfe. Severus begann, aus einer Schriftrolle Gebete vorzulesen. Tony wurde aufmerksam. Es waren Gebete an den Genius des Imperators Trajanus. Und jetzt fügte Severus auch noch eigene Worte hinzu, Worte der Dankbarkeit, dass die Götter dem Volk und dem Senat von Rom Trajanus als Retter geschickt hatten. Schließlich sprach er Trajanus direkt an, so als wäre er bereits tot oder ein Gott. Außer Tony schien das jedoch niemand im Raum seltsam zu finden.
    Als sie endlich gehen durften, floh Tony regelrecht in sein Zimmer. Eigentlich musste er dringend aufs Klo, aber er wusste, dass es dort, unmittelbar nach dem Essen, sehr gesellig zugehen würde. Fast alle, die an der Mahlzeit teilgenommen hatten, würden sich dort einfinden und sich noch eine Weile etwas zwangloser unterhalten. Sie würden tratschen und Witze reißen und ihn mit Fragen über sein Leben im Castellum Durnomagus löchern. Außerdem

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