Bassus (German Edition)
antwortete er.
Sie schwieg. Nach einer Weile sagte sie: „Ich wollte, ich wüsste, was Audica zu einem so bösen Menschen werden ließ.“
„Das werden wir vielleicht nie erfahren.“
„Es könnte ein Schlüssel dazu sein, ihn irgendwie zu verstehen.“
Tony zuckte mit den Schultern. „Ich fürchte, an manche Menschen kann man einfach nicht herankommen.“ Und nach einer Weile fügte er hinzu: „Auch Perpenna gehört zu ihnen.“
Marcia schluchzte plötzlich auf und drückte Aurelius noch fester an sich. „Und er ist mit Audica verbündet.“
Tony sah Flavia in Ketten vor einem triumphierenden Perpenna liegen. Hatte er plötzlich laut gestöhnt? Nein. Es war Severus gewesen, der eben wieder aufwachte. Erleichtert darüber, dass der ihn brauchte, wandte Tony sich zu ihm um. Die Schmerzen mussten fürchterlich sein. Severus krallte seine Hände in das Bettlaken. Und Tony sah wieder eine Spur des alten Kampfgeistes in seinen Augen.
„Musstest du mir etwas amputieren?“, presste Severus hervor.
„Nein. Es ist noch alles dran.“
Severus wand sich hin und her. „Oh, ihr Götter!“, stöhnte er.
„Es tut mir so leid“, sagte Tony.
„Schon gut. Wie lautet deine Prognose?“
Tony zögerte, aber er wusste, dass Severus die Wahrheit hören wollte, auch wenn sie noch so unangenehm war. „Ehrlich gesagt: Ich habe keine Ahnung.“
Er öffnete seine Medizinkiste und nahm das kleine Fläschchen mit dem Saft des Schlafmohnsamens heraus. Severus öffnete den Mund und steckte die Zunge heraus. Tony träufelte von dem Saft darauf. Hoffentlich stimmte die Dosis ungefähr. Zu wenig von dem Opium, und Severus würde nicht genug Erleichterung verspüren. Zu viel, und er würde für immer einschlafen. Bekam er es für einen längeren Zeitraum, bestand die Gefahr, dass er süchtig wurde.
Severus wusste all das.
„Ab morgen halte ich es aus, egal, wie schlimm es ist.“
„Ab morgen ist nur noch Morvran hier.“
Trotz seiner Schmerzen versuchte Severus ein Lächeln. Es war leicht verzerrt. „Vielleicht sieht er mir ja tief in die Augen und verhext mich.“
Tony versuchte zurückzulächeln. „Meistens klappt das auch.“
Als er über den Flur ging, um Morvran zu helfen, hatte er Severus schon fast vergessen. Er sah nur noch Flavia vor sich, die in einem stockdunklen Verlies lag und von Perpenna gequält wurde. Der Gedanke war nicht abwegig, denn wo sonst sollte sich Perpenna seither aufgehalten haben als bei Audica? Tony blieb stehen. Für einen Moment musste er sich an der Wand abstützen, so sehr setzte ihm diese Vorstellung zu. Und auf einmal hatte er wieder den Gestank von Perpennas Verlies in der Nase und fühlte die Verzweiflung und das Entsetzen.
Sie mussten sofort losziehen! Sie durften nicht eine einzige Sekunde mehr verlieren.
Beim Anblick von Ildiger überkamen ihn jedoch Zweifel. Er hatte im Gesicht eine tiefe Wunde von einem Schwerthieb, die ihn wohl für immer entstellen würde. Doch viel schlimmer war der Axthieb, den er in den Nacken bekommen hatte. Der hatte seine Wirbelsäule zwar knapp verfehlt, sich aber tief in den Muskel gebohrt. Morvran bereitete gerade alles vor, um die Wunden zu nähen. Hoffentlich entzündeten sie sich nicht. Tony glaubte auch Anzeichen dafür zu sehen, dass Ildiger Fieber bekam. Er konnte ihn doch nicht im Stich lassen! Er konnte nicht alles Morvran überlassen. Es war nicht fair. Aber er konnte auch nicht hier bleiben und in Ruhe abwarten, was Bassus und die anderen Soldaten erreichen würden. Verzweifelt stand er da.
„Morvran“, wandte er sich hilfesuchend an den Kelten.
Der sah ihn mit seinen unergründlichen Augen an. „Du musst den anderen folgen“, sagte er.
Wie konnte es nur sein, dass Morvran immer wusste, was in Tony vorging?
„Aber …“, Tony deutete auf Ildiger.
„Ich komme klar“, sagte Morvran ernst. „Du musst gehen und dein Schicksal erfüllen.“
Was meinte er damit? Aber Tony fragte nicht nach. Bevor er ging, setzte er sich zu Ildiger und berührte seine Hände.
„Geh und finde Flavia“, sagte der leise.
Tony schluckte. Es war einfach nicht richtig. „Ildiger …“
„Geh! Ich verspreche, nicht zu sterben.“
Bassus saß auf einem Hocker direkt vor dem jungen Krieger, der an einen Stuhl gefesselt war. Der Mann gehörte zu denen, die ihn während seiner Gefangenschaft bei Audica besonders eifrig drangsaliert hatten. Unvorsichtigerweise war er heimlich in sein Dorf zurückgekommen, um seine junge Frau nachzuholen.
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