Bassus (German Edition)
Gelegenheit und entfernte sich von den anderen. Er lief eine Weile am Zaun entlang. Nach einer Weile blieb er stehen und betrachtete die Tiere. In der Nacht zuvor hatte es geregnet, und die gesamte Weidefläche glitzerte in der Herbstsonne.
Seine Wollsocken waren von dem nassen Grass ganz feucht und juckten auf der Haut.
Er hatte nichts gehört. Aber plötzlich griff jemand nach seiner Hand. Es war eine schmale Hand. Ihm wurde heiß. Er sah Flavia an. Sie errötete und wandte den Blick ab. Er hielt ihre Hand fest.
Tony schluckte. Sie war nur wenige Zentimeter kleiner als er. Es war ganz leicht. Auf einmal lagen seine Lippen auf ihrem weichen Mund. Ihre Arme glitten unter den seinen hindurch auf seinen Rücken. Tony wollte sie gerade noch näher an sich ziehen, als hinter ihm jemand fluchte. Er fuhr herum.
Einer der Wächter war in einer Schlammpfütze ausgeglitten. „Severus schickt mich“, sagte er, während er sich wieder aufrappelte. „Er hat sich Sorgen gemacht, weil ihr plötzlich nicht mehr da wart.“
Tony hätte ihn ermorden können.
„Wir kommen“, entgegnete Flavia ruhig.
Der Rest des Tages war an Tony vorbeigerauscht. Obwohl er keine Gelegenheit mehr bekommen hatte, mit Flavia allein zu sein, war er auf Wolken geschwebt. Jetzt lag er schon seit Stunden im Bett und konnte nicht einschlafen.
Wieder suchten ihn die alten Dämonen heim. Das Gefühl, dass etwas Schreckliches geschehen würde. Außerdem war ihm, als würde Flavia nach ihm rufen. Er richtete sich auf. Da rief wirklich jemand! Es war Maius. Jetzt hämmerte er an ihre Tür. Tony sprang aus dem Bett und rannte hinaus. Bassus war jedoch noch vor ihm da und riss die Tür auf.
Maius stürzte herein. „Es ist etwas Furchtbares passiert!“ Er rang nach Atem.
Bassus hielt ihn an den Schultern fest. „Was denn?“
„Severus und seine Familie wurden überfallen. Kurz bevor sie das Gut erreichten. Audicas Männer waren in der Überzahl.“
Bassus wurde kreidebleich. „Sind sie tot?“, fragte er.
„Zwei der Wächter sind tot und die anderen und Severus sind schwer verletzt.“
„Was ist mit Flavia, Aurelius und Marcia?“
„Aurelius hat keinen Kratzer, und Marcia ist nur leicht verletzt.“
„Und Flavia?“, schrie Tony.
„Audica hat sie mitgenommen.“
Tony sank auf die Knie.
Bassus legte ihm die Hand auf die Schulter. Tony hörte, wie er Maius fragte: „Wird Severus durchkommen?“
„Das weiß ich nicht.“
„Wie geht es Ildiger und Gudullus?“
„Ildiger soll es am schlimmsten erwischt haben.“
Tony musste sich zusammenreißen. Es gab Arbeit. Verwundete mussten versorgt werden, und sie mussten Audica aufspüren.
Er sah Bassus und Maius an.
„Was hat er mit Flavia vor?“
Die beiden Männer wechselten einen Blick.
Maius antwortete: „Wenn er sie töten wollte, hätte er es gleich getan. Warum sich die Mühe machen, sie mitzunehmen?“
„Kann es sein, dass er Lösegeld will?“
„Das wäre natürlich gut.“ Doch Maius sagte es ohne Überzeugung.
Auch Tony glaubte nicht an diese Möglichkeit. Denn dann wäre alles nicht ganz so schlimm. Severus würde bezahlen und Flavia käme zurück. Nein, Audica war nicht an Lösegeld interessiert. Er wollte Flavias Eltern quälen. Und – es war zu schrecklich, es zu Ende zu denken: Vor allem wollte er Flavia quälen, weil er sich von ihr verraten fühlte.
Tony riss sich zusammen. „Was geschieht jetzt?“, fragte er.
Draußen war Pferdegetrappel zu hören. Männer riefen durcheinander. Fabius Pudens trat ein, gefolgt von Donatus.
Pudens wandte sich an Bassus: „Draußen warten drei der Männer, die du ausgebildet hast. Du bist wieder als Principal im Einsatz.“
Bassus eilte in sein Zimmer. Donatus folgte ihm. Durch die offene Tür sah Tony, wie er Bassus half, das Kettenhemd anzulegen. Donatus selbst würde jedoch nicht mitkommen können. Er war zwar längst genesen, würde aber nie wieder fit genug sein, um an Kampfeinsätzen teilzunehmen. Sein neuer Arbeitsplatz waren die Principia, wo er half, die Vorräte des Lagers zu verwalten.
Zu Tony sagte Fabius Pudens: „Morvran wird jeden Moment hier sein. Du wirst ihn zum Gut von Severus begleiten und dich um die Verwundeten kümmern. Falls Gudullus dazu in der Lage ist, wirst du danach mit ihm zusammen zu uns stoßen.“
Schnell packte Tony in seinem Zimmer Kleidungsstücke und den Kasten mit dem Arztbesteck, das Bassus ihm in Aquae Granni gekauft hatte.
„Decurio?“, wandte er sich danach an
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