Bassus (German Edition)
sie. Er war bleich, mit tiefen, schwarzen Ringen unter den Augen. Und die kamen nicht von der Schminke. Am meisten erschrak sie über seinen Gesichtsausdruck. Seine maskenhafte Härte.
Für einen Moment zweifelte Gwanwyn, ob ihr Plan eine gute Idee war. Aber dann dachte sie an das Medaillon, und sie half ihm, seine Spuren zu beseitigen. Seine Sachen packten sie auf das Fahrrad. Nach über einer Stunde erreichten sie den Waldparkplatz, auf dem sie ihren Leihwagen stehen hatte. Tony warf das Fahrrad ins Gebüsch, und sie fuhren los.
Sie war bisher nicht wirklich an ihn herangekommen.
Aber irgendwann hatte er gefragt: „Hast du mich damals im Krankenhaus besucht?“
„Ja, ich war da. Und ich weiß, dass Ralf und Franzi und Franzis Mutter auch da waren.“
Danach hatte Tony ihr erklärt, was er vorhatte. Sie beschwor ihn, sich helfen zu lassen. So habe er doch viel mehr Möglichkeiten, seinem Vater das Leben schwer zu machen.
„Aber die Kriminalkommissarin darf nichts davon erfahren“, hatte er schließlich verlangt.
„Warum nicht?“
„Ich möchte nicht, dass sie wegen mir in einen Gewissenskonflikt gerät.“
„Na schön. Dann weihen wir sie eben nicht ein.“
„Aber wird Franzi es schaffen, ihrer Mutter nichts zu sagen?“
„Ganz sicher. Sie hat ihr auch nicht gesagt, dass sie dich im Krankenhaus besucht hat. Sie hat es nur mir erzählt.“
Danach hatte er lange geschwiegen. Sie wusste, dass er immer noch mit sich rang. Es musste da noch einen Punkt geben. Schließlich war Tony damit herausgerückt: „Ich muss für mich sein, wenn ich bei dir einziehe. Wir machen nicht auf Familie.“
„In Ordnung.“
Gwanwyn sah zum Beifahrersitz hinüber. Je mehr sie sich Köln näherten, desto verkrampfter saß Tony da. Doch auch etwas anderes fiel ihr auf einmal an ihm auf: eine gewisse Ähnlichkeit mit dem jungen Soldaten, dem sie vor fast 25 Jahren das Medaillon entrissen hatte.
Oder bildete sie sich das nur ein?
Sie deutete auf das Campingbett in der Abstellkammer.
„Es ist zwar eng, aber hier bist du für dich.“
Er zuckte nur mit den Achseln. Und wieder fragte Gwanwyn sich, ob sie das Richtige tat. Sollte sie nicht offen mit ihm sprechen? Nein. Ausgeschlossen. Er hätte sie für verrückt gehalten und wäre wieder untergetaucht.
Während Tony sich einrichtete, bereitete sie das Mittagessen vor.
Ihre Gedanken waren woanders.
„Ich kann das nicht annehmen“, stammelt der Reitersoldat.
Aber der Druide hält ihm auf seiner ausgestreckten Hand weiter das Medaillon hin.
„Du würdest mir damit eine große Freude machen.“
Zögernd nimmt es der Soldat und zieht es über seinen Kopf.
Der Druide sieht ihm in die Augen.
„Hör zu, Thraker. Dieses Medaillon wird einst den tiefsten Wunsch deiner Seele erfüllen. Aber habe Geduld. Denn die Götter lassen sich Zeit und gehen verschlungene Wege.“
Gwanwyn warf Wiener Würstchen in den Eintopf. Was mochte der junge Thraker sich wohl aus ganzer Seele gewünscht haben? Und nützte es ihm überhaupt noch etwas, wenn dieser Wunsch erst ein Vierteljahrhundert später erfüllt wurde?
Und selbst wenn. Wie sollte das geschehen?
Sie berührte das Medaillon und horchte in sich hinein.
Für einen Moment schien es, als wollte Franzi Tony umarmen, aber weil er zurückwich, stand sie unschlüssig da.
Ralf trat schnell vor und sagte einfach: „Hallo.“
„Hallo“, erwiderte Tony.
Sie setzten sich im Kreis auf den Wohnzimmerteppich, und während Tony schwieg, berichtete Gwanwyn den beiden, was er vorhatte.
Ralf reagierte sofort: „Zuerst müssen wir herausfinden, ob die Freundin deines Vaters … äh … ich meine Rolands, noch in der alten Wohnung ist.“
„Da wohnt jetzt jemand anders“, sagte Tony, „Ich habe schon nachgesehen. Aber fragen konnte ich natürlich nicht. Das wäre zu auffällig gewesen.“
„Wir brauchen also ein Auto, um Roland zu beschatten.“
Tony nickte. „Aber ein Auto, das nicht auffällt, und mit einer Person am Steuer, die auch nicht auffällt.“
„Das heißt, einer erwachsenen und Roland unbekannten Person“, ergänzte Ralf.
Jetzt sahen alle zu Gwanwyn hin. Sie nickte.
„Kein Problem.“
Franzi wandte sich an Tony: „Könnte dein Großvater dir denn nicht helfen?“
Tony gab ein undefinierbares Geräusch von sich. „Er findet Roland toll, gerade weil er weiß, dass er ein Schläger ist. Er ist selbst einer. Meine Mutter und ihre Geschwister wurden ihre ganze Kindheit hindurch von ihm misshandelt.
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