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Bassus (German Edition)

Bassus (German Edition)

Titel: Bassus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Eisenmann
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Gut litten Todesangst. Tony schämte sich einen Moment lang dafür, dass er nur an sich gedacht hatte. Und er beschloss, sein Bestes zu geben.
    Flavia kam zu ihm und brachte ihren Mund ganz nah an sein Ohr. Was sie sagte, ließ ihm beinahe das Blut in den Adern gefrieren: „Tony, wenn sie kommen und siegen, musst du mich und Aurelius töten.“
    Er hatte keine Gelegenheit zu reagieren. Von draußen drang Kampflärm. Die Germanen waren da.
    Flavia rannte zu Aurelius und nahm ihn in die Arme. Herklides trat neben Tony und raunte: „Die Verstärkung von der Ala ist nicht eingetroffen. Wir sind verloren.“
     
    Tony kannte Schreie und Stöhnen aus dem Kampfsportclub. Aber das war nichts im Vergleich zu den Kampfschreien und Schmerzlauten, die er jetzt hörte. Er hätte sich auch nie vorstellen können, dass Menschen, die nur einfache Waffen hatten, einen solchen Lärm machen konnten. Es klang wie Donnergrollen oder wie ein riesiges Tier, ein wütender Drache aus der Urzeit. Holz brach - oder waren es Knochen? Holz schlug auf Holz, Metall auf Holz und Holz oder Metall auf Stein. Dazwischen das Wiehern von Pferden und immer wieder die schrecklichen Schreie von Männern.
    Ganz nah begann etwas zu rattern. Wie eine Spielzeugeisenbahn, die über ihre Weichen holpert. Es dauerte eine Weile, bis Tony bewusst wurde, dass es das Klappern seiner Zähne war. Mit aller Macht biss er sie zusammen.
    Dann zerbarst die Eingangstür.
    Die Frauen vom Hausaltar kamen angerannt und stürzten ins Zimmer.
    Tony gab Herklides ein Zeichen, dass er hinter ihm die Tür verriegeln sollte. Dann war er allein. Den Speer behielt er in der Hand. Das Messer steckte er in den Gürtel.
    Jetzt war er wieder ganz ruhig, wie immer vor einem Kampf. Er zog sich an den Ort tief in seinem Inneren zurück und wurde zur Maschine. Kalt sah er dem Germanen entgegen, der als erster auf ihn zukam. Während der wenigen Schritte, die der Mann brauchte, um ihn zu erreichen, taxierte Tony ihn. Der Germane war mit dunklen Spritzern und Flecken bedeckt. In der linken Hand hielt er ein Schwert, in der rechten eine Axt. Von beiden tropfte etwas. Der Mann bewegte sich wie ein Panzer vorwärts und schien keinen Schmerz mehr zu fühlen.
    Okay. Wenn er kein Linkshänder war, fühlte er sich mit der Axt offensichtlich wohler als mit dem Schwert.
    Tony ließ ihn ganz nah herankommen. Der Geruch nach Blut und Schweiß, der von dem Mann ausging, war überwältigend. Er registrierte es jedoch nur den Bruchteil einer Sekunde lang. Für mehr war keine Zeit. Ihm entging kein Wimpernschlag seines Gegners. Der erste Stoß musste sitzen und tödlich sein. Für Melanie! Für Flavia! Der Germane hob die Hand mit der Axt. Sehr gut. Tony sah alles wie in Zeitlupe. Die Hand hob sich immer höher und höher. Am höchsten Punkt schien sie still zu stehen. Die hassverzerrte Miene des Germanen erstarrte. Dann war der Mann tot.
    Schnell zog Tony den Speer aus dem Herzen des Toten.
    Der nächste Gegner stolperte fast über seinen gefallenen Kameraden. Tony hörte einen grauenhaften Schrei. Doch der zweite Germane hatte lediglich die Zähne gefletscht und stieß grunzende Laute aus.
    Es war Tony selbst, es war sein eigener Schrei gewesen. Er hatte nicht gewusst, dass er so furchterregend brüllen konnte. Und es machte ihm Spaß.
    „Vater!“, schrie er plötzlich und stach zu und hieb und schlug und trat. „Vater!“ Dann „Pater!“, damit sie es auch ja verstanden. „Für Melanie! Für Flavia! Für Aurelius!“
    In seinen Ohren begann es zu rauschen. Es klang wie das Donnern eines Tsunamis. Er sah den dämmrigen Korridor nur noch durch einen roten Filter. Und er bewegte sich ohne Pause, mit immer größerer Leichtigkeit. Er schien zu fliegen, ja, er schwebte hinauf an die Decke. Jetzt war er in einem Raumschiff, aber nicht so langsam wie die Astronauten in einer Raumkapsel. Er war schwerelos und dabei so schnell wie eine wütende Kobra, nein, wie eine Mamba, eine schwarze, äußerst gereizte Mamba.
     
    „Ooooooiiiiiiii! Oooooooiiiiiii“, tönte es durch das Rauschen.
    Er fiel. Und er landete hart.
    „Oooooiiiiii!“ Es war die Stimme von Bassus.
    Was meinte er? Tonys Blick wurde klar. Der Korridor war jetzt hell. Viele Öllampen brannten - und Fackeln. Jemand hielt Tony fest. Er fühlte, dass er keuchte. Er hörte sich an wie die Frau, die er einmal im Fernsehen gesehen hatte, die gerade ein Baby zur Welt brachte. Er versuchte das Keuchen zu unterdrücken und stattdessen lautlos zu atmen.

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