Bassus (German Edition)
hineingezogen werden. Auf einmal glaubte Tony sogar das Rauschen von Wellen zu hören. Mit aller Macht riss er sich los.
Auf dem Hof begegnete er Severus. Der war in Eile, aber seit dem Überfall viel freundlicher.
„Wie geht es dir?“, fragte er und blickte dabei hektisch um sich.
„Danke, ganz gut. Ich habe nur mein übliches Problem.“
„Das da wäre?“
„Ich habe nichts zu tun. Wie soll ich nur meine Tage verbringen?“
„Nun, das müssen wir natürlich besprechen“, sagte Severus zerstreut und eilte davon.
Tony rannte ihm hinterher. „Publius Flavius!“
„Ja?“ Severus lief dabei weiter und betrat das Haus.
Tony blieb neben ihm.
„Könnte ich nicht Arzt werden?“
Severus blieb augenblicklich stehen. „Medicus?“, fragte er in einem Ton, als hätte Tony etwas schrecklich Unanständiges vorgeschlagen.
„Das ist doch ein schöner Beruf. Man heilt Menschen.“
Severus prustete los und eilte weiter. „Entschuldige, dass ich lache“, sagte er, „Ärzte heilen doch nicht, sie sind geldgierige Scharlatane.“
Wie bitte? Tony war verwirrt.
„Auch Wackeron und Morvran?“
„Die natürlich nicht. Die dienen ja auch in der Armee. Aber die Mehrzahl. Es ist kein angesehener Beruf, Tony. Selbst Sklaven üben ihn aus.“
Verdammt. Er war es leid, dass sich dauernd alle seine Pläne zerschlugen.
Aus dem Unterrichtszimmer hörte er die Stimmen von Flavia und Herklides. Nach kurzem Zögern trat er ein. Wenigstens konnte er etwas lernen, wenn er schon sonst nichts tun konnte.
Flavia freute sich wie immer, ihn zu sehen. Aber auch Aurelius und Herklides lächelten ihn an. Seit dem Überfall behandelten sie ihn jedoch auch mit einer gewissen Scheu.
Tony setzte sich und hörte zu. Flavia übersetzte laut aus einem griechischen Text. Nach einer Weile wurde Tony hellhörig. Der Text interessierte ihn.
„Außerdem muss uns bewusst sein, dass das Künftige weder völlig in unserer Macht liegt, noch völlig nicht in unserer Macht liegt. Wir sollten weder erwarten, dass das Künftige genau so kommen wird, noch verzweifeln, wenn es überhaupt nicht so kommt“, übersetzte Flavia.
„Aber wie können wir wissen, was in unserer Macht liegt und was nicht?“, rief Tony.
Sie sahen ihn interessiert an. Er fuhr fort: „Haben wir überhaupt irgendeinen Einfluss auf das, was kommen wird?“
Herklides schritt langsam auf und ab und strahlte dabei etwas Königliches aus. Tony fand es beschämend, dass dieser Lehrer, der gebildeter war als alle anderen Bewohner des Gutes, ein rechtloser Sklave war.
„Laut Epikur haben wir sehr wohl einen Einfluss“, sagte Herklides. „Wir sind nicht nur einem blinden Schicksal unterworfen. Denn das würde uns von jeglicher Verantwortung entbinden. Es ist vielmehr so, dass wir mit jeder unserer Handlungen etwas bewegen und die Welt mitgestalten können. Daher ist es wichtig, dass wir mit Bedacht das Gute und Richtige tun.“
„Aber es gibt doch die Götter, die angeblich alles bestimmen“, warf Tony ein.
Herklides blieb stehen. „In der Tat, aber sie sind zugänglich. Wir können sie um Hilfe bitten.“
„Aber im Letzten ist es ihre Entscheidung, ob sie uns unterstützen. Das heißt, wir sind ihnen völlig ausgeliefert.“
Herklides dachte kurz nach. „Einem Menschen, der sich um den rechten Weg bemüht, sind sie wohlgesonnen. Auch wenn sie vielleicht auf eine Art und Weise helfen, die wir zunächst nicht verstehen.“
Nein. Das gefiel Tony nicht.
„Ich weiß, auf was du und dieser Epikur hinauswollt, wir sollen auch in schweren Zeiten gelassen bleiben und darauf vertrauen, dass alles zu unserem Besten ist.“
Er hatte es so aggressiv gesagt, dass Herklides und Flavia ihn erschocken ansahen.
Nach einer Weile sagte Herklides: „Ja, wir sollten uns in der Tat bemühen, zu einer Haltung der Unerschüttlichkeit zu gelangen.“
Tony hörte sich selbst bitter auflachen. „Wir sind den Göttern ausgeliefert wie Kinder einem Vater. Wir haben keinerlei Macht.“
Jetzt wurde auch Herklides leidenschaftlich. „Ganz so ist es nicht. Wir Menschen haben sogar sehr viel Macht. Wir müssen nur einen Fuß auf den Boden setzen, und schon können wir eine Ameise oder einen Käfer töten. Tiere, winzig und schön, bei deren Erschaffung sich die Götter viel Mühe gegeben haben. Mit einem einzigen Schlag unserer Faust oder einem Hieb unseres Schwertes können wir Menschen töten. Wir können sie aber auch zuerst foltern oder sie versklaven. Wir können Felder
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