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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Behauptung, Johnny habe, anders als er selbst aussagt, das Bisquit in Cambridge
schon um eins und nicht erst um zwei verlassen, macht es wahrscheinlicher, dass er eine Fahrgelegenheit auftreiben und rechtzeitig in Salem sein konnte, um Mark Bishop um vier Uhr nachmittags umzubringen. Außerdem ist da noch ihre Äußerung, ihr Sohn lese gern Horrorromane und habe eine Schwäche für Gewaltfilme und einschlägige Spiele. Hinzu kommt, dass ihre Bemerkungen über Jack Fielding, eine Nagelpistole und eine satanistische Sekte weder korrekt noch bewiesen sind.
    Woher hat sie diese gefährlichen Informationen? Woher nur? Fielding könnte ihr während der Telefonate Flausen in den Kopf gesetzt haben, falls er wirklich derjenige ist, der inzwischen Gerüchte verbreitet und Lügen in die Welt setzt, wie zumindest Benton annimmt. Doch ganz gleich, was Fielding nun getan oder nicht getan hat, ob er nun lügt oder die Wahrheit sagt und welche Gründe sein Verhalten auch immer haben mag – meine Gedanken kehren immer wieder zu Johnny Donahues Mutter zurück, und zwar aus dem Grund, dass ich bei ihr keine logischen Motive erkennen kann. Dass sie mir diesen Brief hat überbringen lassen, macht einen merkwürdigen Eindruck auf mich. Etwas stimmt da nicht.
    Mir kommt es seltsam vor, dass eine Person, der Rechtschreibung und Satzbau so wichtig sind, ganz zu schweigen von der Konzentration, die das Musizieren erfordert, vergleichsweise wenig auf Einzelheiten im Geständnis ihres Sohnes achtet, denn immerhin will er eines der grausamsten Gewaltverbrechen der jüngeren Geschichte begangen haben. In einem solchen Fall ist jede Kleinigkeit von Bedeutung. Wie also kann eine kluge und gebildete Frau, die sicher teure Anwälte beschäftigt, das nicht wissen? Warum geht sie das Risiko ein, jemandem wie mir, einer Wildfremden also, derartige Dinge preiszugeben? Und noch dazu schriftlich. Während ihrem Sohn ein lebenslanger Aufenthalt in einer forensischen
Psychiatrie wie Bridgewater droht. Vielleicht kommt es ja noch schlimmer, und er muss ins Gefängnis, wo ein verurteilter Kindermörder mit Asperger-Syndrom, ein sogenanntes Wunderkind, das zwar die schwierigsten Rechenaufgaben im Kopf lösen kann, aber im alltäglichen Umgang mit seinen Mitmenschen schwer beeinträchtigt ist, wahrscheinlich nicht lange überlebt.
    Während ich mir all diese Fakten und wichtigen Punkte noch einmal vergegenwärtige, wird mir klar, dass ich mich fühle und verhalte, als ob ich emotional beteiligt wäre. Und das darf ich nicht sein. Ich muss Objektivität wahren. Du ergreifst nicht Partei. Es ist nicht deine Aufgabe, Anteil zu nehmen , sage ich mir. Johnny Donahue und seine Mutter bedeuten dir überhaupt nichts. Außerdem bist du weder Detective noch beim FBI , tadle ich mich. Du bist weder Johnnys Verteidigerin noch seine Therapeutin, hast also keinen Grund, dich einzumischen. Das halte ich mir streng vor Augen, weil ich noch nicht ganz überzeugt bin. Ich ringe mit Impulsen, die unbeschreiblich stark geworden sind und von denen ich nicht weiß, wie ich sie abstellen soll und ob ich das überhaupt kann. Ich weiß nur, dass ich es nicht will.
    Einiges, woran ich mich nicht nur in Dover, sondern auch in nicht mit dem Krieg zusammenhängenden Angelegenheiten gewöhnt habe, die unter die Zuständigkeit des Medical Examiner der Streitkräfte fallen, entspricht viel zu sehr meinem wahren Naturell. Ich habe die ausgetretenen Pfade satt. Nun bin ich Militärangehörige und gleichzeitig Zivilistin. Ich habe immer wieder in Washington zu tun. Ich habe auf einem Luftwaffenstützpunkt gelebt und wurde bei Bergungsaktionen, Flugzeugabstürzen, Manöverunfällen und Todesfällen in militärischen Einrichtungen eingesetzt. Ich habe Mitglieder von Sondereinsatzkommandos, Geheimagenten, einen Bundesrichter und vor ein paar Monaten sogar einen
Astronauten obduziert, viele Situationen, die der Geheimhaltungspflicht unterliegen und über die ich nicht sprechen darf. Meine Gefühle kommen in dieser Gleichung nicht vor. Ich sitze zwischen den Stühlen und habe nicht die geringste Lust, mir Einschränkungen aufzuerlegen, weil eine Sache nicht in meinen Kompetenzbereich fällt.
    Als in der medizinischen Aufklärung tätige Offizierin gehört es zu meinen Aufgaben, gewisse Aspekte des Lebens und des Todes zu untersuchen, die weit über die übliche klinische Bewertung hinausgehen. Aus den Leichen entnommene Stoffe, die Art der Verletzung, ballistische Eigenheiten, die

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