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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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meinem Schreibtisch und streiche ihn noch einmal glatt, ganz langsam und vorsichtig, während es mir auf der Zunge brennt, mich nach Fielding, dem Grund ihres Anrufs und dem Inhalt ihres Gesprächs zu erkundigen. Es macht mir zu schaffen, dass ich nicht von ihr gehasst und für gefühllos und sogar unehrlich gehalten werden möchte. Möglicherweise hat Fielding mich ja bei ihr genauso schlecht gemacht, wie er es vermutlich bei Julia Gabriel getan hat. Beinahe spreche ich die Frage aus, verkneife sie mir aber dann. Was wurde gesagt, und was hat man Erica Donahue
weisgemacht? Aber nicht jetzt. Nimm dich zusammen , tadle ich mich.
    »Was soll ich denn angeblich geschrieben haben?«, empört sich Erica Donahue.
    »Es ist ein cremefarbenes Büttenpapier mit Wasserzeichen. « Ich halte die erste Seite an meine Schreibtischlampe und rücke den Schirm so zurecht, dass das Licht der Glühbirne direkt durch den Bogen scheint und das Wasserzeichen so deutlich sichtbar wird wie das Innenleben einer Krabbe durch die perlmuttartige Haut. »Ein offenes Buch mit drei Kronen«, fahre ich fort und erschrecke.
    Aber ich lasse mir nichts anmerken. Sie darf auf keinen Fall auch nur erahnen, welche Gedanken mir im Kopf herumwirbeln, während ich ihr beschreibe, was ich vor Augen habe. Auf dem Blatt Papier tritt es gegen das Licht hervor wie ein Hologramm: ein offenes Buch zwischen zwei Kronen und mit einer dritten Krone darunter. Darüber befinden sich drei fünfblättrige Blumen. Diese Blumen, die Marino zu erwähnen vergessen hat, gehören ganz eindeutig weder zum Wappen von Oxford noch zu dem der City University of San Francisco. Was ich gerade betrachte, ist nicht das, was Benton vorhin im Internet entdeckt hat. Allerdings ist das Emblem identisch mit dem auf dem goldenen Siegelring, den ich aus dem Asservatenspind geholt habe, bevor ich nach der Untersuchung der Kleider des Toten in mein Büro ging.
    Ich öffne den kleinen braunen Umschlag und kippe den Ring in meine behandschuhte Handfläche. Das Lampenlicht fängt sich im Gold, so dass es auf der weißen Baumwolle funkelt, als ich den Ring hin und her drehe, um ihn aus verschiedenen Winkeln zu mustern. Ich stelle fest, dass er ziemlich zerkratzt und unten abgewetzt ist. Der Ring sieht für mich alt aus. Wie eine Antiquität.
    »Tja, es hört sich an wie mein Wappen und mein Briefpapier,
das muss ich einräumen«, spricht Mrs. Donahue ins Telefon. Als ich ihr die in Umschlag und Briefkopf eingeprägte Adresse in Beacon Hill vorlese, bestätigt sie, dass es ebenfalls ihre ist. »Mein persönliches Briefpapier? Wie ist das möglich?« Sie klingt verärgert, wie Menschen es tun, wenn sie Angst haben.
    »Was können Sie mir über Ihr Wappen erzählen? Wären Sie so gut, es mir zu schildern?«, fordere ich sie auf.
    Dabei betrachte ich durch eine Lupe das identische Wappen auf dem Siegelring aus Gelbgold. In der Vergrößerung erkenne ich, dass die drei Kronen und das offene Buch an manchen Stellen beinahe abgewetzt sind. Insbesondere die fünfblättrigen Blumen sind wegen des Alters des Rings nur noch schemenhaft auszumachen. Offenbar wurde er von einer oder mehreren Personen durch häufiges Tragen abgenutzt, auch von dem Mann aus Norton’s Woods, der ihn bei seiner Ermordung am kleinen Finger der linken Hand stecken hatte. Es besteht kein Zweifel, dass es seiner ist. Der Ring wurde mit seiner Leiche eingeliefert. Es hat keine Verwechslung vonseiten der Polizei, eines Krankenhauses oder eines Bestattungsinstituts stattgefunden. Als Marino gestern Vormittag die persönliche Habe des Mannes sichergestellt, weggesperrt und den Schlüssel bis zur Übergabe an mich bei sich behalten hat, war der Ring da.
    »Mein Geburtsname ist Fraser«, erklärt Mrs. Donahue. »Es handelt sich um mein Familienwappen. Diese Version steht für Jackson Fraser, einen Urgroßvater, der das Emblem geändert und Elemente wie den blauen Hintergrund, eine goldene Kante und eine dritte Krone in Rot hinzugefügt hat. Doch das sieht man nur, wenn man sich eine farbige Abbildung des Wappens anschaut, die gerahmt in meinem Musikzimmer hängt. Soll das heißen, jemand hat einen Brief auf meinem Briefpapier geschrieben und ihn von einem Chauffeur
bei Ihnen abgeben lassen? Das begreife ich nicht, und ich weiß auch nicht, wie das möglich sein soll. Was für ein Auto war es denn? Wir haben wirklich keinen Chauffeur. Ich fahre einen alten Mercedes, mein Mann, der sich zurzeit im Ausland aufhält, hat einen Saab. Und einen

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