Bastard
wächst nichts.
Gedanken wie diese sind wie Sonnengewitter. Benton berührt mich am Ellbogen und umfasst ihn fest, als wir die mit Sand bestreute Sackgasse überqueren, die sich in einen Parkplatz für Dienstfahrzeuge, zivile und mit Emblem, verwandelt hat. Auf einigen prangt das Logo von Salem, der Schattenriss einer Hexe, die rittlings auf einem Besen sitzt. Dicht am Haus des Schiffskapitäns, so nah, dass er fast die rückwärtige Mauer berührt, steht der weiße Transporter des CFC, den Marino schon vor Stunden hierhergefahren hat, während ich noch im Autopsiesaal und später in meinem Büro war, ohne zu ahnen, was sich fünfzig Kilometer weiter nordöstlich abspielte. Die Hecktür des Transporters ist offen. Im Wagen bemerke
ich Marino, mit grünen Gummistiefeln, einem grellgelben Schutzhelm und einem ebenfalls grellgelben Schutzanzug der Stufe A bekleidet, wie wir sie für Einsätze verwenden, bei denen man Gefahr läuft, sich bakteriologisch oder chemisch zu kontaminieren.
Über den Boden aus geriffeltem Stahl und zu den geöffneten Metalltüren hinaus schlängeln sich Kabel bis zur ungeteerten, vereisten Auffahrt und verschwinden in der Tür des Steinhäuschens. Es muss ein reizendes, gemütliches Nebengebäude gewesen sein, bevor Fielding es in eine Baustelle mit freigelegten Fundamenten verwandelt hat. Das Eis auf dem gefrorenen Boden ist grau. Der Garten hinter dem Haus ist mit verschüttetem Zement, umgekippten Holzstößen, herumliegenden Backsteinen, verrosteten Werkzeugen, Dachziegeln, Isoliermaterial und Nägeln zugemüllt und kein sehr erfreulicher Anblick. Eine Schubkarre ist mit einer losen schwarzen Plane abgedeckt, die sich im Wind bewegt. Das rings um das Gelände gespannte Flatterband zittert.
»Das Ding liefert genügend Saft für die Beleuchtung, aber das war’s dann auch schon. Wir haben noch etwa hundertzwanzig Minuten«, sagt Marino zu mir, während er in einem Einbauschrank wühlt.
Damit meint er das Notstromaggregat, das die Elektrik des Transporters bei abgeschaltetem Motor am Laufen hält und auch außerhalb des Fahrzeugs in beschränktem Umfang Energie liefert.
»Mal ausgehend davon, dass der Strom nicht wieder eingeschaltet wird. Vielleicht haben wir ja Glück. Ich habe gehört, dass es jederzeit so weit sein kann. Das Hauptproblem sind die von gekippten Bäumen umgerissenen Strommasten, an denen du auf dem Weg hierher auf der Derby Street sicher vorbeigekommen bist. Aber selbst wenn wir wieder Strom hätten, würde es uns da drin nicht viel nützen.« Er meint das
Nebengebäude. »Es gibt nämlich keine Heizung. Scheißkalt ist das, und nach einer Weile ist man bis aufs Mark durchgefroren. Nur um dich zu warnen.« Er bleibt im Transporter, während Benton und ich draußen im Wind stehen. Ich schlage den Jackenkragen hoch. »So kalt wie in deiner verdammten Kühlkammer im Institut. Und jetzt stell dir vor, stundenlang dort zu arbeiten.«
Als ob ich noch nie bei kaltem Wetter an einem Tatort gewesen wäre und nicht wüsste, wie unwirtlich es in einer Kühlkammer ist.
»Natürlich haben diese Temperaturen auch Vorteile, wenn der Strom ausfällt, was er in dieser Gegend bei Unwetter häufig tut. Außerdem hatte er kein Notstromaggregat«, fährt Marino fort.
Mit er meint er Fielding.
»Denn wenn der Gefrierschrank keinen Saft mehr kriegt, kann das richtig ins Geld gehen. Deshalb war der offensichtliche Grund, einen Heizstrahler zu nehmen und ihn auf höchste Stufe zu stellen, der, die DNA zu zerstören, damit wir nie rauskriegen, von wem das Zeug stammt. Hältst du das für möglich?«, fragt er mich.
»Ich bin nicht ganz sicher, was du …«, setze ich an.
»Dass wir sie nicht identifizieren können. Ist das möglich?« Marino redet wie ein Wasserfall, als hätte er seit unserer letzten Begegnung ununterbrochen Kaffee in sich hineingeschüttet. Seine Augen sind blutunterlaufen und glasig.
»Nein«, antworte ich. »Ich glaube nicht. Ich denke, wir werden es sicher herausfinden.«
»Also meinst du nicht, dass die Proben so wertlos sind wie Grießpudding.«
»Herrgott«, sagt Benton. »Darauf hätte ich verzichten können. Warum kannst du nicht die verdammten Lebensmittelvergleiche lassen?«
»Wir brauchen nicht viel.« Ich erinnere Marino daran, dass man ein DNA-Profil bereits aus drei menschlichen Zellen erstellen kann. Falls nicht sämtliche Zellen restlos zerstört seien, seien wir aus dem Schneider, versichere ich ihm.
»Nun, dann ist es einen Versuch wert.«
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