Bastard
sich seltsam. Er missversteht seine Mitmenschen, und sie missverstehen ihn. Sie halten ihn für kaltblütig und arrogant. Er lacht oder kichert, wenn etwas nicht komisch ist. Er benimmt sich unhöflich und patzig, ohne es zu bemerken. Die ganze Veranstaltung ist absurd. Eine Farce. Vermutlich eines der klassischsten Beispiele für ein falsches Geständnis, das mir je untergekommen ist.«
»Warum sitzt er dann noch immer im McLean in der Geschlossenen? «
»Er muss psychiatrisch behandelt werden. Aber nein, man
sollte ihn nicht mit psychotischen Patienten zusammensperren. Das ist zumindest meine Meinung, doch niemand hört auf mich. Vielleicht kannst du ja mit Renaud und St. Hilaire reden. Dir glauben sie möglicherweise. Wir fahren nach Salem und arbeiten den Fall mit ihnen durch. Und wenn wir schon einmal dort sind, können wir uns umschauen.«
»Und Johnnys Zusammenbruch?«, erkundige ich mich. »Wenn man seiner Mutter glauben kann, ging es ihm während der ersten drei Jahre in Harvard gut. Und dann wird er plötzlich eingewiesen? Wie alt ist er denn?«
»Achtzehn. Als er im letzten Herbst zum Abschlussjahr nach Harvard zurückkehrte, hatte er sich sichtlich verändert«, erwidert Benton. »Verbal und sexuell aggressiv und außerdem immer aufgebrachter und paranoider. Ungeordnete Gedanken und Wahrnehmungsstörungen. Symptome also, die denen einer Schizophrenie ähneln.«
»Drogen?«
»Nicht der geringste Hinweis darauf. Nach dem Mordgeständnis war er mit einem Test einverstanden. Ergebnis negativ. Selbst die Haaranalyse war in Bezug auf Drogen und Alkohol sauber. Seine Freundin, Dawn Kincaid, ist Doktorandin am MIT. Sie und Johnny haben gemeinsam an einem Projekt gearbeitet. Sie war so besorgt um ihn, dass sie schließlich seine Familie alarmiert hat. Das war im Dezember. Dann, vor einer Woche, wurde Johnny mit einer Stichwunde an der Hand ins McLean eingewiesen. Seinem Psychiater hat er erzählt, er habe Mark Bishop umgebracht. Er sei mit dem Zug nach Salem gefahren. Im Rucksack habe er eine Nagelpistole gehabt. Er hat behauptet, er brauche ein Menschenopfer, um eine böse Macht loszuwerden, die sich in sein Leben gedrängt habe.«
»Warum Nägel und nicht eine andere Waffe?«
»Es hat etwas mit den magischen Kräften von Eisen zu tun.
Außerdem ist das meiste davon in den Nachrichten gekommen. «
Mir fällt ein, dass ich im Internet etwas über Teufelsknochen gelesen habe, und erwähne es.
»Genau, so nannten die alten Ägypter das Eisen«, antwortet Benton. »In einigen Läden in Salem werden Teufelsknochen verkauft.«
»Zu einem X zusammengebunden. Man trägt sie in einem roten Satinbeutel mit sich herum. Ich habe in ein paar Esoterikläden welche gesehen. Allerdings erinnern sie eher an Spieße und sollen antik wirken. Ich bezweifle, dass sie verzinkt sind.«
»Angeblich schützt Eisen vor bösen Geistern, die Erklärung dafür, warum Johnny Nägel aus Eisen benutzt hat. Zumindest seine Begründung. Doch seine Geschichte ist nicht sehr originell. Wie du gerade gesagt hast, handelt es sich um eine der Theorien, die am Tag vor dem Mordgeständnis in sämtlichen Nachrichtensendungen erwähnt wurden.« Benton hält inne. »Dein eigenes Institut hat angedeutet, schwarze Magie könne das Motiv sein«, fügt er hinzu. »Vermutlich wegen der Verbindung zu Salem, der Stadt der letzten Hexenverbrennungen. «
»Theorien zu entwickeln ist nicht unsere Aufgabe. Wir müssen unparteiisch und objektiv sein. Deshalb verstehe ich deine Bemerkung nicht, wir hätten derartige Andeutungen gemacht.«
»Ich wollte dir nur mitteilen, dass dieses Thema diskutiert wurde.«
»Mit wem?« Aber ich kenne die Antwort.
»Jack war schon immer ein Wackelkandidat. Inzwischen hat er anscheinend auch noch den letzten Rest an Hemmungen verloren«, stellt Benton fest.
»Ich denke, wir haben uns darauf geeinigt, dass Jack ein
Problem ist, das ich nicht länger lösen kann. Was für ein Projekt? « Damit spiele ich auf Bentons Bemerkung über Johnny Donahues Freundin vom MIT an. »Was studiert Johnny eigentlich im Hauptfach?«
»Informatik. Seit Anfang des letzten Sommers hat er ein Praktikum bei Otwahl Technologies in Cambridge gemacht. Wie seine Mutter sagte, ist er in einigen Bereichen hoch begabt …«
»Was genau waren seine Aufgaben dort?« Ich stelle mir die massive Fassade aus Gussbeton vor, die wie der Hoover Dam in den Himmel ragt, nicht weit von der Stelle, die wir soeben passiert haben, also dem Teil von Cambridge, wo
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