Bastard
damit wir sie einem Beerdigungsinstitut oder seiner Familie übergeben können«, antworte ich.
»Und dann wäre da auch noch Oxford«, ergänzt Benton, der immer noch sucht. »Doch wenn der Ring aus Oxford wäre, müsste Oxford University draufstehen, und du sagtest ja, dass eine Inschrift oder ein Motto fehlt.«
»Richtig«, erwidert Marino. »Allerdings macht der Ring den Eindruck, als hätte ihn jemand anfertigen lassen. Pures Gold und mit einem eingravierten Wappen. Also ist es vielleicht kein offizieller Ring, wie man ihn an einer Uni kaufen kann, und deshalb ohne Motto oder Inschrift.«
»Mag sein«, entgegnet Benton. »Doch wenn der Ring eine Privatanfertigung ist, glaube ich nicht, dass er für die Oxford University steht. Ich würde eher denken, dass jemand, der an einem Online-College studiert, einen Ring in Auftrag gibt, weil er anders nicht an einen herankommt – immer vorausgesetzt, man möchte der Welt mitteilen, dass man seinen Abschluss im Internet gemacht hat. Das hier ist das Wappen der City University of San Francisco.« Benton tritt zur Seite, damit Marino freie Sicht auf den Computerbildschirm hat. Er zeigt ein kunstvolles Wappen mit einer Umrandung in Blau und Gold. Oben prangt eine goldene Eule mit drei ebenfalls goldenen Lilien. Darunter sind drei goldene Kronen und in der Mitte ein offenes Buch zu sehen.
Marino hält den Toten in Seitenlage, späht hinüber zum Bildschirm und zuckt die Achseln. »Vielleicht. Wenn er graviert war, das heißt, wenn er ihn sich hat anfertigen lassen, war die Abbildung möglicherweise nicht so detailgetreu. Das könnte der Grund sein.«
»Ich schaue mir den Ring an«, versichere ich, während ich die Leiche untersuche und mir Notizen auf ein Klemmbrett mache.
»Kein Grund, von einem Kampf auszugehen. Habe also nicht damit gerechnet, die DNA des Täters auf der Uhr oder sonst irgendwo zu finden. Aber du kennst mich ja«, setzt Marino
seinen Bericht über seine Überprüfung der Habe des Toten fort. »Ich habe trotzdem von allem Abstriche genommen. Nichts, was mir ungewöhnlich vorgekommen wäre, nur dass seine Uhr stehengeblieben ist. Es ist eines von diesen sich selbst aufziehenden Dingern, die Lucy so mag. Ein Chronograph. «
»Wann war das?«
»Habe es irgendwo aufgeschrieben. So gegen vier Uhr morgens. Etwa zwölf Stunden nach seinem Tod. Außerdem hatte er eine 9-Millimeter-Pistole mit achtzehn Schuss Munition dabei, aber kein Mobiltelefon«, spricht er weiter. »Gut, vielleicht hat es ja jemand mitgenommen, falls er es nicht zu Hause gelassen hat. Möglicherweise hat derjenige ja auch den Hund. Das beschäftigt mich.«
»In den Videos, die ich gesehen habe, lag ein Telefon auf dem Schreibtisch«, erinnere ich ihn. »Es war, wenn ich mich recht entsinne, an ein Ladegerät neben einem der Laptops angeschlossen. Daneben lag die Glaspfeife, die du erwähnt hast.«
»Wir konnten nicht alles beobachten, was er gemacht hat, bevor er ging. Ich dachte, er könnte das Telefon auf dem Weg nach draußen eingesteckt haben«, mutmaßt Marino. »Oder er besaß mehr als eines. Wer zum Teufel kann das wissen?«
»Wir, wenn wir endlich seine Wohnung finden«, meint Benton, während er seine Suchergebnisse im Internet ausdruckt. »Außerdem würden mich die Tatortfotos interessieren.«
»Das heißt, wenn ich die Wohnung finde.« Marino legt die Kamera auf die Arbeitsfläche. »Denn schließlich bin ich derjenige, der sich umhören wird. Polizisten sind die schlimmsten Tratschweiber, die es gibt. Ich kriege raus, wo der Typ gewohnt hat.«
8
Auf dem Körperdiagramm vermerke ich, dass die Leichenstarre des Toten um 23 Uhr 15 voll ausgebildet ist und dass er sich nach dem Aufenthalt in der Kühlkammer kalt anfühlt. Sein Körper ist von einem Muster aus dunkelroten Verfärbungen und blassen Druckstellen überzogen, was darauf hindeutet, dass er nach seinem Tod noch mindestens zwölf Stunden lang flach auf dem Rücken gelegen hat, die Arme entlang den Seiten ausgestreckt, die Handflächen auf dem Boden, voll bekleidet und mit einer Uhr am linken Handgelenk sowie einem Ring am rechten kleinen Finger.
Hypostase nach dem Tod, besser bekannt als Totenflecken oder Livores, ist eines meiner Lieblingsthemen, auch wenn sie oft, selbst von denen, die es eigentlich besser wissen müssten, falsch gedeutet wird. Es ist leicht, sie mit Blutergüssen infolge stumpfer Gewalteinwirkung zu verwechseln, obwohl sie durch das schlichte physiologische Phänomen verursacht wird, dass
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