Bastard
keine Schussverletzung. Vielleicht ein Einstich mit einer sehr schmalen Klinge. Etwa wie ein Filetiermesser, nur mit zwei Klingen. Ein Stilett vielleicht.«
»Und er ist einfach tot umgefallen, weil ihm jemand mit einem Stilett in den Rücken gestochen hat?« Bentons Augen über dem Mundschutz blicken skeptisch.
»Nein. Das hätte nur geklappt, wenn der Stich ins Genick erfolgt wäre und das Rückenmark durchtrennt hätte.« Ich denke an Mark Bishop und die Nägel, die ihn getötet haben.
»Wie ich bereits in Dover sagte: Möglicherweise hat er ja eine Spritze gekriegt«, schlägt Marino vor, der gerade, von
Kopf bis Fuß in einen Schutzanzug mit Gesichtsmaske vermummt, hereinkommt, als hätte er Angst vor Krankheitserregern in der Luft oder todbringenden Sporen wie Anthrax. »Eine Art Betäubungsmittel oder so. Mit anderen Worten: eine tödliche Injektion. So etwas könnte einen schon umhauen. «
»Erstens muss man ein Narkosemittel wie Thiopental, Pancuroniumbromid oder Kaliumchlorid intravenös spritzen.« Ich hole ein Paar Untersuchungshandschuhe heraus. »Und nicht in den Rücken. Mit Mivacurium und Succinylcholin ist es dasselbe. Wenn man jemanden schnell und sicher mit einem muskellähmenden Mittel umbringen will, verabreicht man es ihm am besten intravenös.«
»Aber in einen Muskel gespritzt, wäre es trotzdem tödlich, oder?« Marino holt eine Kamera aus dem Schrank und kramt zum Größenvergleich ein fünfzehn Zentimeter langes Plastiklineal aus einer Schublade. »Bei einer Hinrichtung verfehlt die Spritze manchmal die Vene und dringt in einen Muskel ein, doch der Häftling stirbt trotzdem.«
»Einen langsamen und sehr schmerzhaften Tod«, entgegne ich. »Und dieser Mann ist allen Berichten nach nicht langsam gestorben. Außerdem rührt die Verletzung nicht von einer Nadel her.«
»Ich würde ja nicht behaupten, dass die Mitarbeiter im Gefängnis das absichtlich machen, aber es passiert manchmal. Gut, wahrscheinlich ist es doch Absicht. Genauso wie einige den Giftcocktail vorher kühlen, damit der Mistkerl auch wirklich spürt, wie die eiskalte Hand des Todes zuschlägt.« Diese Äußerung ist auf Anne gemünzt, die eine leidenschaftliche Gegnerin der Todesstrafe ist. Sie vor den Kopf zu stoßen, so oft er kann, ist seine Art, mit ihr zu flirten.
»Das ist ja widerlich«, sagt sie.
»Hey, schließlich ist es ja nicht so, als ob diese Kerle sich
Gedanken über die Leute gemacht hätten, die sie umgelegt haben, richtig? Es hat sie nicht interessiert, ob sie leiden mussten. Wer hat den verdammten Etikettenbeschrifter versteckt? «
»Ich war’s. Ich liege nachts wach und überlege mir, wie ich mich am besten an Ihnen rächen kann.«
»Ach ja? Wofür denn?«
»Einfach dafür, dass Sie Sie sind.«
Marino wühlt in einer anderen Schublade und findet den Etikettenbeschrifter. »Er sieht viel jünger aus, als die Sanitäter gesagt haben. Ist das jemandem außer mir aufgefallen? Würden Sie ihn nicht auch jünger als Mitte zwanzig schätzen?«, wendet Marino sich an Anne. »Wirkt eher wie ein Jugendlicher. «
»Kaum raus aus der Pubertät«, stimmt sie zu. »Andererseits kommen mir allmählich alle Collegestudenten so vor. Wie Babys.«
»Wir wissen nicht, ob er Collegestudent war«, halte ich den anderen vor Augen.
Marino entfernt die Rückseite von einem Etikett, das mit Datum und Fallnummer beschriftet ist, und klebt es auf das Plastiklineal. »Ich werde die Umgebung des Parks abklappern und mich erkundigen, ob irgendein Hausmeister eines Mietshauses ihn erkennt. Wenn er in der Nähe wohnt – das scheint, den Videos nach zu urteilen, eindeutig der Fall zu sein –, muss sich jemand an ihn und seinen Greyhound erinnern. Sock. Was ist das für ein Name für einen Hund?«
»Vermutlich nicht sein vollständiger«, erwidert Anne. »Rennhunde haben diese komplizierten Züchternamen. Es könnte also eine Abkürzung sein.«
»Ich empfehle ihr schon seit langem, in einer Quizshow aufzutreten«, murmelt Marino.
»Sein Name ist vielleicht irgendwo verzeichnet«, merke ich
an. »Irgendetwas, in dem das Wort Sock vorkommt, vorausgesetzt, wir haben mit dem Mikrochip kein Glück.«
»Vorausgesetzt, wir finden den verdammten Hund«, wendet Marino ein.
»Wir überprüfen doch die Fingerabdrücke und die DNA des Opfers? Und, wie ich hoffe, sofort?« Benton mustert den Toten so eindringlich, als spräche er mit ihm.
»Ich habe ihm heute Morgen die Fingerabdrücke abgenommen, aber kein Glück. Nichts im
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