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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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sich das nicht mehr zirkulierende Blut aufgrund der Schwerkraft in den kleinen Gefäßen sammelt. Totenflecken können dunkelrot oder violett sein. Wo Körperpartien auf einer harten Oberfläche geruht haben, entstehen hellere, blasse Stellen. Ganz gleich, was man mir auch über die jeweiligen Todesumstände erzählen mag, eine Leiche lügt nicht.
    »Keine sekundären Totenflecken, die darauf hinweisen könnten, dass die Leiche bewegt wurde, während sich die Livores ausbildeten«, merke ich an. »Was ich hier sehe, bestätigt, dass man den Toten in einen Leichensack und anschließend auf eine Bahre gelegt hat, ohne seine Position noch einmal zu verändern.« Ich befestige das Körperdiagramm am Klemmbrett und zeichne die von Taillenbündchen, Gürtel, Schmuck,
Schuhen und Socken hinterlassenen Spuren ein, helle Bereiche auf der Haut, die die Form eines Gummibands und einer Schließe oder die Oberflächenbeschaffenheit von Stoffen nachbilden.
    »Das zeigt deutlich, dass er nicht einmal mit den Armen gerudert oder um sich geschlagen hat. Sehr gut«, merkt Anne an.
    »Richtig. Denn wenn er wieder zu sich gekommen wäre, hätte er zumindest die Arme bewegt. Also wirklich erleichternd«, stimmt Marino zu. Tasten klicken, der Computermonitor auf der Arbeitsfläche zeigt ein Bild.
    Ich notiere, dass der Mann weder Körperpiercings noch Tätowierungen hat und gepflegt ist. Er hat ordentlich gestutzte Nägel und die glatte Haut eines Menschen, der nicht körperlich arbeitet oder sich sonst mit Dingen beschäftigt, die Schwielen an Händen und Füßen hervorrufen könnten. Ich taste seinen Kopf nach Verletzungen wie zum Beispiel Brüchen ab, finde aber nichts.
    »Die Frage ist, ob er vornübergefallen ist.« Marino betrachtet die Mail von Ermittler Lester Law. »Oder liegt er auf diesen Bildern auf dem Rücken, weil die Sanitäter ihn umgedreht haben?«
    »Wegen der Wiederbelebungsmaßnahmen hätten sie ihn umdrehen müssen.« Ich komme näher, um es mir selbst anzuschauen.
    Marino klickt sich durch einige Fotos, die alle dasselbe Motiv haben, allerdings aus verschiedenen Winkeln aufgenommen worden sind: der Mann auf dem Rücken, die dunkelgrüne Jacke und das Jeanshemd offen, den Kopf zur Seite gedreht, die Augen halb geschlossen. Eine Nahaufnahme seines Gesichts zeigt, dass Schmutz – offenbar totes Laub, Gras und Erde – an seinen Lippen klebt.
    »Vergrößere das«, weise ich Marino an, der das Bild mit
einem Mausklick näher heranholt, so dass das jungenhafte Gesicht des Mannes den Bildschirm füllt.
    Ich wende mich wieder dem Toten hinter mir zu, untersuche ihn auf Verletzungen im Gesicht und am Schädel und bemerke eine Abschürfung an der Unterseite des Kinns. Als ich seine Unterlippe hinunterziehe, erkenne ich eine kleine Wunde, vermutlich erzeugt durch die Zähne am Unterkiefer, als sein Gesicht beim Sturz auf den Kiespfad aufgeschlagen ist.
    »Das kann unmöglich der Grund für das viele Blut sein, das ich gesehen habe«, wendet Anne ein.
    »Nein, kann es nicht«, stimme ich zu. »Allerdings weist es darauf hin, dass er nach vorn gestürzt ist. Außerdem muss er gefallen sein wie ein Stein. Er ist nicht einmal gestolpert oder hat versucht, sich abzustützen. Wo ist der Leichensack, in dem er eingeliefert wurde?«
    »Ich habe ihn im Autopsiesaal auf einem Tisch ausgebreitet, weil ich mir schon gedacht habe, dass Sie ihn unter die Lupe nehmen wollen«, erwidert Anne. »Seine Kleider sind dort zum Trocknen aufgehängt. Nachdem ich ihn ausgezogen hatte, habe ich alles in den Trockenschrank bei Ihrem Arbeitsplatz getan. Tisch eins.«
    »Gut. Vielen Dank.«
    »Vielleicht hat ihm ja jemand eine verpasst«, mutmaßt Marino. »Ihn durch einen Schlag oder einen Stoß mit dem Ellbogen ins Gesicht abgelenkt und ihm dann in den Rücken gestochen. Allerdings müsste das dann in den Videos zu sehen sein.«
    »Wenn ihm jemand auf den Mund geschlagen hätte, hätte er schwerere Verletzungen als nur diese kleine Wunde. Nach dem Schmutz auf seinem Gesicht und der Position des Kopfhörers zu urteilen« – ich bin wieder am Computer und klicke Bilder an, um es ihnen zu zeigen –, »muss er aufs Gesicht gestürzt
sein. Der Kopfhörer liegt da drüben, also mindestens zwei Meter entfernt, unter einer Bank. Das heißt, der Mann ist mit einem solchen Schwung gefallen, dass der Kopfhörer so weit weggeschleudert wurde und das Kabel sich vom Satellitenradio getrennt hat, das, glaube ich, in seiner Tasche steckte.«
    »Oder jemand hat

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