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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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andeuten, dass er mit Kollegen am McLean Hospital konferiert. Aber das stimmt nicht. Anne ist für das Krankenhaus zuständig. Sie und Marino sind gerade dort und bereiten alles für die MRI-Aufnahme vor. Warum also sollte Benton mit ihnen oder sonst jemandem am McLean telefonieren?
    »Also sind wir nur noch zu dritt hier«, merke ich an. »Bis auf Ron natürlich. Falls du dennoch die Tür zumachen willst, meinetwegen.« Auf diese Weise möchte ich ihr mitteilen, dass mir ihr übertriebener Argwohn und ihre Heimlichtuerei nicht entgangen sind. Ich wünschte, sie würde es mir erklären und mir sagen, warum sie es für nötig hält, mir auszuweichen oder mich sogar unverfroren zu belügen. Mich, ihre Tante, ihre Beinahe-Mutter und nun auch ihre Vorgesetzte.
    »Ich weiß.« Sie nimmt eine kleine Asservatenschachtel aus der Kitteltasche.
    »Du weißt? Was weißt du?«

    »Dass Anne und Marino ins McLean gefahren sind, weil du eine MRI-Aufnahme angeordnet hast. Warum bist du nicht dabei?«
    »Ich werde nicht gebraucht und wäre auch keine große Hilfe, da MRI-Aufnahmen nicht mein Spezialgebiet sind.« Im Gerichtsmedizinischen Institut in Dover, wo es sich bei den meisten eingelieferten Leichen um Kriegsopfer mit Metallteilen im Körper handelt, gibt es kein MRI-Gerät. »Ich dachte, ich erledige ein paar Dinge. Und wenn ich endlich weiß, wonach ich suche, fange ich mit der Autopsie an.«
    »Eigentlich zäumst du das Pferd von hinten auf«, stellt Lucy fest. Ihre grünen Augen fixieren mich. »Früher hast du eine Leiche obduziert, um herauszufinden, wonach du suchst. Nun erwartest du eine Bestätigung für etwas, was dir bereits bekannt ist, und möchtest nur noch Beweise sichern.«
    »Stimmt nicht ganz. Ich werde immer wieder überrascht. Was ist in der Schachtel?«
    »Apropos.« Sie schiebt die Schachtel über die freie Platte meines abstrus ordentlichen Schreibtischs. »Du kannst es ohne Handschuhe rausnehmen. Aber sei vorsichtig damit.«
    In der Schachtel liegt etwas, das wie ein Insektenflügel, vielleicht von einer Fliege, aussieht, auf einem Wattebett.
    »Nur zu, fass es an«, fordert Lucy mich auf. Strahlend vor Aufregung beugt sie sich vor, als sähe sie zu, wie ich ein Geschenk auspacke.
    Ich ertaste starre Drahtstreben und eine dünne, durchsichtige Membran, die sich wie Plastik anfühlt. »Künstlich. Wie interessant. Was genau ist das und wo hast du es her?«
    »Bist du mit Flybots vertraut?«
    »Entschuldige, aber da klingelt bei mir nichts.«
    »Jahrelange Forschungsarbeiten. Abermillionen an Forschungsmitteln, die für die Entwicklung des perfekten Flugroboters in Fliegenform ausgegeben wurden.«

    »Habe ich noch nie bewusst wahrgenommen. Offen gestanden, weiß ich nicht, wovon du redest.«
    »Sie sind mit winzigen Kameras und Sendern für Überwachungsaufgaben ausgestattet, genau genommen dafür, um Leute abzuhören. Oder um Chemikalien, Sprengstoffe oder biologische Kampfmittel aufzuspüren. Die Experimente laufen in Harvard, am MIT, in Berkeley und an einigen anderen Instituten hier und im Ausland. Es handelt sich um Insekten mit eingepflanzten elektromechanischen Systemen, Schnittstellen zwischen Maschine und Insekt sozusagen. Später hat man auch mit anderen Lebewesen experimentiert, zum Beispiel Schildkröten und Delphinen. Nicht unbedingt eine Sternstunde der DARPA, wenn du mich fragst.«
    Ich lege den Flügel zurück auf den Wattebausch. »Woher hast du das?«
    »Als Marino ihn heute Morgen im ID-Raum hatte« – Lucy meint den Toten aus Norton’s Woods – »wollte ich ihm von dem Aufnahmegerät erzählen, das ich im Kopfhörer entdeckt habe. Also bin ich runtergegangen. Er war gerade dabei, dem Toten die Fingerabdrücke abzunehmen, und da habe ich am Jackenkragen des Mannes etwas bemerkt, das auf den ersten Blick wie der Flügel einer Fliege aussah. Es klebte zwischen verschiedenen Schmutzteilen wie Erde und Laub von dem Boden, auf dem er gelegen hatte.«
    »Es ist nicht abgefallen, als die Sanitäter ihm die Jacke geöffnet haben«, stelle ich fest.
    »Offenbar nicht. Es ist am Webpelzkragen hängengeblieben«, entgegnet Lucy. »Mir kam es irgendwie komisch vor. Also habe ich es mir aus der Nähe angesehen.«
    Ich hole eine Lupe aus meiner Schreibtischschublade und schalte einen Spot an. Im grellen Licht wirkt der vergrößerte Flügel nicht mehr natürlich. Dort, wo er normalerweise mit dem Körper verbunden wäre, befindet sich eine Art bewegliches
Gelenk. Die Venen, die durch das Gewebe

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