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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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gefallen«, erwidere ich. »Wenn ich mich recht entsinne, bist du viermal durchgegangen. Und du warst so begeistert, dass du dir die Vortragsreihe auf CD gekauft hast.«
    »Das ist wirklich ein Gedanke. Ein kleiner Junge, der exakt im gleichen Moment wie wir in der Galerie war.«
    »Du behauptest das, als wäre es eine Tatsache«, beharre ich auf meinem Standpunkt.
    »Und fast zehn Jahre später sitzen wir beide hier und haben mit seiner Leiche zu tun. Das nenne ich ein Beispiel für das Kleine-Welt-Phänomen.«
    Ich zucke zusammen, da sie auf etwas anspielt, an das ich vorhin selbst gedacht habe. Erst die Ausstellung in London, dann das große Netz, in das wir verwoben sind, die Art und
Weise, wie unser aller Leben auf diesem Planeten zusammenhängt.
    »Ich werde mich nie daran gewöhnen«, sagt sie. »Jemanden gesehen zu haben, der später ermordet wird. Das heißt nicht, dass ich ihn mir als kleinen Jungen in einer Londoner Galerie vorstelle oder das Gesicht eines Kindes vor Augen habe. Aber vielleicht habe ich genau neben ihm gestanden oder sogar mit ihm gesprochen. Rückblickend ist es so schwer zu begreifen, dass man das Schicksal eines anderen Menschen oder auch das eigene hätte beeinflussen können, wenn man gewusst hätte, was kommt.«
    »Hat Benton dir erzählt, dass der Tote aus Norton’s Woods ermordet wurde? Oder hast du es aus anderer Quelle?«
    »Wir haben uns ausgetauscht.«
    »Und du hast ihm während eures kleinen Austauschs in deinem Labor von dem Flybot berichtet.« Das ist keine Frage.
    Ich bin sicher, dass sie mit Benton über den Flügel des Flybots gesprochen hat. Auch über alles andere, was er ihrer Ansicht nach wissen sollte. Schließlich hat sie vorhin im Helikopter beteuert, dass er außer mir der Einzige ist, dem sie derzeit vertraut. Auch wenn ich gerade nicht unbedingt das Gefühl habe, zu ihren Vertrauten zu gehören. Ich habe eher den Eindruck, dass sie die Informationen filtert und sehr wählerisch darin ist, was sie herausrückt, ganz gleich, wie sehr mich ihre Heimlichtuerei auch wurmt. Ich wünschte, sie würde mir nicht ausweichen oder mich belügen. Allerdings habe ich in Sachen Lucy eines gelernt, nämlich dass Wünsche nicht in Erfüllung gehen. Ich könnte wünschen, bis ich schwarz werde, ohne dadurch etwas an ihrem Verhalten, ihren Gedanken oder ihrem Tun zu ändern.
    Ich schalte die Lampe aus und gebe ihr die kleine weiße Schachtel zurück. »Was bedeutet: ›fliegt wie ein Engel‹?«
    »Du kennst doch die Gemälde, auf denen Engel in der Luft schweben. Du hast sie sicher schon gesehen.« Lucy greift nach einem Block Telefonnotizen und einem Stift, die ordentlich neben dem Telefon liegen. »Sie fliegen senkrecht, als hätten sie einen Düsenrucksack umgeschnallt. Im Gegensatz zu Insekten und Vögeln, deren Körper waagerecht in der Luft liegen. Diese kleinen Flybots fliegen ebenfalls senkrecht, wie Engel eben, und das ist einer ihrer Nachteile. Das und ihre Größe. Dafür eine Lösung zu finden ist ganz schön schwer. Nicht einmal den hellsten Köpfen ist etwas dazu eingefallen.«
    Sie zeichnet ein Strichmännchen, das an ein durch die Luft sausendes Kreuz erinnert, um es mir zu demonstrieren.
    »Wenn man ein Insekt, beispielsweise eine gewöhnliche Stubenfliege, nachbauen will, die wie die sprichwörtliche Fliege an der Wand unbemerkt alles beobachtet«, fährt sie fort, »sollte das Objekt auch wie eine Fliege aussehen, nicht wie ein winziger aufrechter Körper mit Flügeln. Stell dir vor, ich sitze bei einem Treffen mit Ahmadinedschad im Iran, und plötzlich taucht ein senkrechtes Flugobjekt auf und landet wie die Glöckchenfee auf dem Fensterbrett. Das würde mir doch sicher auffallen und meinen Verdacht wecken.«
    »Wenn du dich im Iran mit Ahmadinedschad treffen würdest, fände ich das aus einer ganzen Reihe von Gründen verdächtig. Wir vergessen die Frage, warum mein Patient den Flügel eines dieser Dinger an der Jacke hatte, angenommen, es handelt sich um ein Teil eines intakten Flybots …«, setze ich an.
    »Das mit dem Flybot stimmt nicht ganz«, unterbricht sie mich. »Es muss auch nicht unbedingt ein Spionageroboter sein. Genau darauf will ich ja hinaus.«
    »Aber wozu ist das Objekt, ganz gleich, worum es sich handelt, dann benutzt worden?«
    »Lass deine Phantasie spielen«, erwidert sie. »Ich könnte
dir eine ganze Liste von Möglichkeiten aufstellen, aber keine genaue Aussage treffen. Nicht bei einem Flügel. Obwohl mir einige wichtige Punkte

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